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Schweiz will gegen "Downloader" mit Zensur vorgehen

Von Hitzestau - 24.05.2013

Autor: Archangel

Was im Ausland schon zum Teil praktiziert oder zumindest seit längerem von der Politik geplant wird, soll nun auch in der Schweiz Einzug halten. Eine unheilige Allianz aus Politik und Unterhaltungsindustrie will den Zugang zu als "illegal" eingestuften Inhalten sperren. Aus den teilweise heftigen Protesten in den Nachbarländern hat man in der Schweiz offenbar wenig gelernt.

Noch sind keine Gesetze erlassen worden, aktuell handelt sich um Empfehlungen einer "Expertengruppe". Die Richtung ist aber dennoch eindeutig, wie die Neue Zürcher Zeitung in einem Artikel zusammenfasst: Erstens sollen Internet-Nutzer von ihren Zugangsprovidern Warnhinweise erhalten, wenn sie "illegale" Inhalte hoch- oder herunterladen. Das kann bis zur zivil- oder strafrechtlichen Verfolgung ausgedehnt werden. Zweitens sollen Portale, die Inhalte anbieten, diese entfernen müssen, wenn sie auf "illegales Material" auf ihren Servern hingewiesen werden. Als dritte und letzte Massnahme sollen die Zugangsprovider generell den Zugang zu "illegalen" Quellen für ihre Kunden sperren. Dazu soll eine neue Behörde nach dem Vorbild der Eidgenössischen Koordinationsstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität (Kobik) aufgebaut werden.

Was heisst in diesem Zusammenhang eigentlich "illegal"? Konkret geht es um urheberrechtlich geschütztes Material wie Musik, Kinofilme und TV-Serien. Gemäss dem oben genannten NZZ-Artikel laden rund ein Drittel der Schweizer Inhalte von Seiten wie rapidshare.com oder uploaded.net herunter. Eine Quelle wird für diese Angaben allerdings nicht genannt. Keiner fragt, warum dies so ist. Gerade im Bereich Filme und Serien gibt es im Internet immer noch zu wenig Angebote, die eigene Lieblingsserie zu schauen. In den USA sind Portale wie hulu oder Netflix etablierte Grössen in der Medienlandschaft und produzieren sogar eigene Serien. In der Schweiz, oder in Europa generell, sucht man solche Angebote immer noch vergebens. Da sich die Zuschauer aber nicht mehr von den seit Jahrzehnten festgesetzten Vertriebswegen der Unterhaltungsindustrie gängeln lassen wollen, weichen sie gezwungenermassen auf diejenigen Angebote aus, die online vorhanden sind. Die Nachfrage ist offensichtlich gross, warum die Industrie, die sonst auch keine Gelegenheit auslässt Profit zu machen, hier nicht selber aktiv wird, ist und bleibt für mich schleierhaft.

Angebote wie Netflix fehlen in Europa, die Nachfrage ist aber da. Quelle:

Was mich besonders stört bei diesen Plänen des Bundes ist folgendes: Erstens soll eine neue Zensurinfrastruktur aufgebaut werden. Zweitens ist die Frage: Wer entscheidet, was illegal ist und was nicht? Kann eine ganze Internetseite oder ein ganzer Inhalteanbieter illegal sein? Ich glaube kaum. Drittens sollen Behörden hier sehr viel Macht erhalten. Die Internetprovider werden dabei zu ihren "Erfüllungsgehilfen": Warnhinweise, Zugangssperren für einzelne User und die Sperrung von einzelnen Webseiten. Hinweise auf die Künstler, die angeblich kein Geld mehr verdienen, ziehen bei mir nicht: Leere Datenträger, MP3-Player, Smartphones und andere Geräte werden schon lange mit Urheberrechtsgebühren belastet, die via Verwertungsgesellschaften an Künstler verteilt werden. Wer dann noch Musik oder Filme bei iTunes oder anderen Bezahlangeboten kauft, muss doppelt bezahlen. Und das tut keiner gerne.

Wie wird es in der Schweiz weiter gehen? Martin Steiger hat auf seinem Blog steigerlegal.ch einen ausführlichen Artikel verfasst, aus dem ich hier zitieren möchte, da ich mich seinen Überlegungen nur anschliessen kann: "Im Bezug auf die Verhältnismässigkeit ist insbesondere zu beachten, dass erhebliche und mit hohen Kosten verbundene Eingriffe in die Grundrechte der schweizerischen Internet-Benutzer erfolgen würden, ohne dass schweizerische Musiker und andere Kulturschaffende in der Schweiz dadurch höhere Einnahmen erzielen könnten. Die Massnahmen würden ohne Zweifel zu schädlichen Auswirkungen für Internet-Benutzer in der Schweiz führen, während die schädlichen Auswirkungen von Urheberrechtsverletzungen auf schweizerische Kulturschaffende fraglich sind. Ausserdem könnten schweizerische Kulturschaffende einen wesentlichen Reputationsschaden erleiden, wenn sie tatsächlich die Internet-Benutzer in der Schweiz kriminalisieren, überwachen und zensurieren würden – bislang betonten die schweizerische Kulturschaffenden und ihre Vertreter jeweils, sie wollten Internet-Benutzer nicht kriminalisieren. Die Schweiz würde im Übrigen ihre heutige Position als vorbildlicher Staat mit einem vergleichsweise freien Internet verlieren."

Um Andreas von Gunten kommt man in der Schweiz bei einem Thema wie diesem nicht herum: Er hat es in seinem Blogbeitrag auf den Punkt gebracht: Es geht um massive Eingriffe in unser aller Persönlichkeitsrecht, nur um überholte Geschäftsmodelle zu sichern. "Es ist wahrlich dreist, wie die internationalen Mediengrosskonzerne über lokale Verbände in der AGUR12 und auch über diesen Runden Tisch des SECO versuchen die Freiheits- und Persönlichkeitsrecht der Schweizer Bürgerinnen und Bürger einzuschränken, nur damit sie ihre alten Gelddruckmaschinen weiter betreiben können. Man stelle sich vor, diese Leute hätten bereits früher gemerkt, was das Internet mit ihren Geschäftsmodellen anstellt. Wir würden wohl immer noch Faxen, statt E-Mails verschicken und Leserbriefe statt Blogposts schreiben und vor allem würden wir weiterhin all den Schrott auf Datenträgern kaufen müssen, den sie uns während Jahrzehnten vorgelegt haben."

Eine wahrlich beängstigende Vorstellung.