Die Uhr tickt schnell und unerbittlich. Jetzt sind es noch 100 Tage bis in der Schweiz über die NoBillag-Initiatve abgestimmt wird. Untypisch für das sonst eher ruhige und beschauliche politische Leben in der Schweiz, gehen die Wogen schon seit Wochen hoch.
Das Initiativ-Komitee hat es trotz externem Störfeuer geschafft, ein Crowdfunding für seine eigene Kampagne zu starten – momentan liegt man bei rund 70’000 Franken, angepeilt scheinen laut der Webseite mindestens 100’000 Franken.
Stand vom 24.11.2017, 17:55 (Screenshot nobillag.ch). Quelle: nobillag.ch
Viel medial Aufmerksamkeit – und das bereitet mir etwas Sorgen – erhalten momentan die Gegner der Initiative. Zwar haben in den meisten Online-Umfragen die NoBillag-Befürworter die Nase vorne, aber wie Politexperten gerne sagen, arbeitet die Zeit gegen sie. Initiativen starten oft mit einem relativ hohen Zustimmungswert und verlieren dann Schritt für Schritt, je näher der Abstimmungstermin rückt.
Die Initiativ-Gegner verfügen bis heute zum Glück über keine zentrale Organisation, es ist eher ein bunter Haufen von mehr oder minder Prominenten, die sich via Medien zu Wort melden. In den zur journalistischen Ausgewogenheit verpflichteten SRG-Kanälen sind sie eher eine Randerscheinung, die Hauptarbeit leisten hier zur Zeit die privat finanzierten Print- und Online-Medien.
Falls überhaupt eine einheitliche Strategie erkennbar ist, funktioniert diese meistens nach der Formel "No Billag = No SRG". Das ist zuallererst einmal einfach falsch, die Abschaffung der SRG ist kein Ziel der Initiative. Es ist die SRG selber, welche dies in die Welt gesetzt hat und aus strategischen Gründen für den Abstimmungskampf auch an dieser Lüge festhalten muss. In dieses Fahrwasser springen jedoch immer wieder gerne Profiteure der Umverteilungs- und Subventionsmaschine SRG, um für ihren Erhalt zu werben, weil der Verlust dieser Organisation die Schweiz angeblich schlimmer verwüsten würde als alle Erdbeben, Vulkanausbrüche und Tsunami der Welt zusammen. In Tat und Wahrheit geht es jedoch nur um Ebbe im eigenen Portemonnaie.
Wer auch immer für die Medienpräsenz der SRG-Freude im Hintergrund verantwortlich ist, langt auch hin und wieder mal tüchtig daneben, wie man in der Schweiz sagt. Da darf doch tatsächlich Ex-Bundesrat Moritz Leuenberger in einem Interview sagen, auch eine Sendung wie "Glanz und Gloria" gehöre zum Service Public. Also gerade eine der Sendungen, die oft genannt wird, wenn es darum geht, das Budget der SRG zusammenzustreichen und sie wieder auf ihren Kernauftrag zu fokussieren.
Im weiteren dürfen Top-Kommunikationsexperten dazu raten, die Verdrehung der Wahrheit als neue Bezeichnung für die Initiative zu werden. Frank Bodin empfiehlt, von der "No Billag, No SRG"-Initiative zu sprechen, weil es nicht um die Abschaffung des unbeliebten Inkasso-Unternehmens Billag gehe, sondern um die Abschaffung der SRG.
Screenshot. Quelle: blick.ch
Ein anderer Tipp kommt von Sacha Wigdorovits, nämlich einfach mal Sendungen ausfallen zu lassen, damit die Zuschauer merken, wie es ist, wenn die SRG-Programme fehlen. Dies ist genauso wenig sinnvoll, weil es an ein Nicht-Erfüllen des Leistungsauftrags grenzen würde.
SRG-Mitarbeiter selber verhalten sich aber auch immer wieder mal ungeschickt. Vor ein paar Wochen machten Medienberichte über Social Media-Profile von Personen die Runde, die angeblich gar nicht bei der SRG arbeiten würden. Oder es gibt Redaktionsleiter bei der SRG, die ihren Untergebenen nahelegen, für den Abstimmungskampf entsprechend zu spenden.
Screenshot. Quelle: blick.ch
Die Liste kann man noch beliebig fortsetzen, wenn täglich über die Newsseiten surft. Und die SRF-eigene "Late Night"-Sendung "Deville" macht sich schon mal Gedanken wie eine privat finanzierte Newssendung denn aussehen könnte. Ich weiss nicht was mich mehr stört: Dass man Journalisten, die nicht über Gebühren finanziert werden, nichts zutraut – oder das auch diese angeblich lustige Sendung so gar nichts zum Landeszusammenhalt und zur Demokratie beiträgt, wie die SRG-Befürworter immer behaupten.
Aber was in all den Debatten und Wortmeldungen nie angeführt wird: Hat das was die SRG hauptsächlich produziert, nämlich klassisches lineares TV mit einem Gesamtprogramm, überhaupt noch eine Zukunft? Ich denke nicht. Streaming-Dienste, Spartensender, Video on Demand und crossmediale Angebote werden die Fernseh- und Medienlandschaft der Zukunft bestimmen. Aber am Leutschenbach – und in Bern – fliest das Wasser halt immer noch langsam und behäbig.