Seit gestern ist wieder Krieg im deutschen Internet. Gekämpft wird mit harten Bandagen und grossflächigen Online-Anzeigen. Schliesslich geht es um Geschäftsmodelle, Einnahmen, Content und die Rechte des Endusers, selber zu entscheiden, was er auf seinem Bildschirm angezeigt haben will und was nicht.
Gestern haben mehrere grosse deutsche Newsseiten ihre Leser auf der Startseite beispielsweise so begrüsst.
Hier ein Screenshot von zeit.de...
...und von golem.de. Die Anbieter von AdBlock-Programmen haben diese "Anzeigen" schnell ebenfalls herausgefiltert, Monk-Trader war jedoch schnell genug, diese Screenshots zu machen :) danke.
Für die Grösse der Anzeigen und deren Positionierung im Top-Bereich hätte Google die Seiten eigentlich Im Rank direkt abstrafen müssen. Der Tenor der Kampagne: Bitte schalten Sie ihren Adblocker aus, damit auf unserer Seite bei ihnen auf dem Bildschirm Werbung angezeigt wird. Dies ist unsere wichtigste Einnahmequelle. Gemäss spiegel.de behindern Adblocker-Programme bei rund 25 Prozent aller Seitenaufrufe, dass Werbung angezeigt wird. Für die Verlage geht es um ihr Geschäftsmodell: Content, der zwar gratis im Web angeboten wird, ist logischerweise nicht kostenlos in der Herstellung. So beschreibt es ein Redaktor von golem.de:
Aber auch ich, wie das ganze Team von Golem.de, verdiene mein Geld mit Werbung. Sie ist dabei Mittel zum Zweck: genau die IT-Website zu machen, die wir selbst gerne nutzen würden. Uns geht es vor allem darum, für unsere Leser relevante Inhalte in hoher inhaltlicher Qualität zu bieten. Quelle: golem.de
Sinkende Werbeeinnahmen bedeuten also weniger Geld für guten Content und damit wieder weniger Leser, was wiederum weniger Werbeeinnahmen zur Folge hat. Ein Teufelskreis. Was guter Content genau ist, blocken wir hier mal aus... Sozusagen als Alternative denkt golem.de über eine kostenpflichtiges Abo nach, eine Paywall. Auch hier ist die Akzeptanz bei den Lesern nicht gerade hoch.
Dass sich Redaktionen und Verlage dermassen ins Zeug legen, zeigt vor allem eins: Nachrichtenseiten haben im Internet ihr Geschäftsmodell noch nicht gefunden. Die Leser wollen kostenlose Inhalte, aber die Akzeptanz von Werbung sinkt laufend, und Paywalls stossen ebenfalls auf Ablehnung. Zwar mag es günstig erscheinen, auf einer Webseite für ein paar Euro pro Monat (werbe-)freien Zugang zu haben, aber ein Vielsurfer wie ich steuert jeden Tag mehrere Seiten an und da könnten sich dann auch nicht unerhebliche Abo-Kosten im Monat ergeben. Ich kaufe ja auch nicht ein Dutzend Tageszeitungen pro Tag am Kiosk. Würden sich die meisten Newsseiten für eine solche Lösung entscheiden, würde es aber genau auf dies hinauslaufen. Nur macht das kaum jemand mit, denke ich.
Für Technikseiten wäre es einfach, andere Einnahmequellen zur erschliessen. Anstatt das grosse Firmen wie Sony oder Dell bei ihnen Werbung schalten, könnten sie die Redaktion direkt finanziell unterstützen. Schliesslich haben die Unternehmen ja ein Interesse daran, dass über ihre neuen Produkte berichtet wird. Bei politischen Tagespublikationen wie spiegel.de funktioniert so ein Modell eher nicht, oder soll die CSU jetzt auch noch dafür Geld bezahlen, dass über ihre Skandale berichtet wird?
Es wird mir hier kaum gelingen, für die Redaktionen ein neues Geschäftsmodell zu entwickeln. Aber es geht auch um andere Fragen: Habe ich als Enduser das Recht, selber zu bestimmen, was auf meinem Bildschirm angezeigt wird oder nicht? Ich denke, ja das Recht habe ich. Was mich beim Lesen von Texten oder Laden von Webseiten hindert, blende ich aus. Nicht nur im Kopf, sondern mit technischen Hilfsmitteln wie Adblocker. Im digitalen Fernsehen ist es heute möglich, dass man Werbeblöcke nicht überspringen kann oder nicht mehr wegzappen kann, nur das Aufstehen vom Fernsehsessel können auch die Werbegurus nicht verhindern. Es ist kein Recht der Inhalteanbieter, dass ich als Leser oder Zuschauer Werbung sehen muss. Die Netzneutralität stellt sicher, dass all die kleinen Banner und Clips zwar bei mir zu Hause ankommen, aber ich filtere das heraus, was mir nicht passt.
Nachdem vor ein paar Wochen die "Downloader", die der Deutschen Telekom angeblich die Bandbreite wegfressen, aufs Dach bekommen haben, sind in manchen deutsche Foren nun die "Adblocker" dran. Gekämpft wird auch bei diesem Thema zuweilen unter der Gürtellinie, wie dieser User auf dem Forum von golem.de beweist:
Den Schmarotzern mit AdBlockern sollte man den Internetzugang abdrehen! Das war mein erster Gedanke, als ich vor Jahren erstmalig von derartigen Plugins in Firefox hörte und das Ergebnis von gängigen Seiten im Browser sah. Das sehe ich heute nicht anders: Diejenigen die so etwas verwenden, haben das Geschäftsmodell im Netz nicht kapiert und sind auf eine Stufe mit Raubkopierern zu stellen... Quelle: golem.de
Grosse Schweizer Newsportale haben sich meines Wissens nicht der Kampagne angeschlossen, obwohl AdBlocker-Progamme auch in der Schweiz eine grosse Verbreitung haben dürften. Aber auch wenn sie an der Kampagne mitgemacht hätten, die Reaktionen der Leser wären niemals so heftig ausgefallen. Internetthemen können in der Schweiz kaum diesen Level von Emotionen schüren wie in Deutschland.
Übrigens, schaut Euch mal hitzestau.com mit und ohne AdBlocker an. Findet Ihr den Unterschied?