Zum Ende von Mobility Go in Basel

Zum Ende von Mobility Go in Basel

Von Hitzestau - 21.06.2022

Per 7.Juni 2022 sind über 100 Autos von Basels Strassen verschwunden: Der Carsharing-Dienst “Mobility Go” ist eingestellt worden. Was bedeutet dies für Kunden wie uns und das Autofahren in Basel?

Mobility mit seinen roten Autos gehört zu den bekanntesten Anbietern von Carsharing in der Schweiz. Mobility Go war so etwas wie eine lokale Besonderheit der Stadt Basel, denn der Dienst funktionierte nach dem so genannten Free Floating-Konzept. Die Fahrzeuge standen nicht an fix definierten Standorten und die Fahrten können überall in der vorgegeben Free Floating-Zone auf einem Parkplatz der blauen oder weissen Zone beendet werden. In Basel gehörten das Stadtgebiet und vier angrenzende Gemeinden dazu. Gebucht wurden die Fahrzeuge über eine App und die Fahrt konnte dann sofort angetreten werden. Abgerechnet wurde im Minutentarif oder als Tagespauschale, unabhängig von der effektiv gefahrenen Distanz. Inbegriffen waren zudem Benzin oder Strom.

Quelle: Mobility

Unter dem Namen “Catch a Car” war der Dienst als allererstes Schweizer Free Floating-Angebot im Jahre 2014 als Tochtergesellschaft von Mobility in Basel lanciert worden. Zwei Jahre später erfolgte die Ausdehnung nach Genf. Weitere Regionen wurden jedoch nie erschlossen. Im 2019 wurde Catch a Car unter der Bezeichnung Mobility Go direkt in die Dienstleistungen von Mobility integriert. Mitte Mai dieses Jahr gab Mobility bekannt, dass der Dienst in Basel nach dem Pfingst-Wochenende eingestellt wird. Aus Genf hatte sich Mobility Go schon im August 2020 verabschiedetet.

Aus unserer Sicht ist es sehr schade, dass der Dienst eingestellt wurde, denn wir waren in den vergangenen Jahren Kunden von Mobility Go. Es ist jetzt schon 14 Tage her, dass der Dienst eingestellt wurde und wir hätten seitdem noch per Auto etwas zu erledigen gehabt, aber dafür müssen wir nun eine anderen Lösung finden.

Es ist ein Verlust von einem kleinen Stückchen Freiheit, auch wenn ich nicht regelmässig gefahren bin.
Archangel
Spontan und unkompliziert Zugriff auf einen motorisierten und fahrbaren Untersatz zu haben, war für mich der grösste Vorteil des Dienstes. Man musste keine Reservation im voraus planen oder ein Depot hinterlegen.
Monk-Trader

Was leider nie wirklich funktioniert hat in all den Jahren, war eine gleichmässige Verteilung der freien Autos über das Stadtgebiet. In machen Quartieren kam es zu regelrechten Ballungen von freien Fahrzeugen, während andere Quartiere eher “schwarzen Löchern” ohne Autos glichen. Als Kunde musste man auch mit technischen Probleme kämpfen: Wir haben öfters erlebt, dass Fahrzeuge nicht dort standen, wo sie laut Karte in der App hätten sein sollen. Das war natürlich besonders ärgerlich, wenn man unter Zeitdruck war. Zudem waren seit der Lancierung im Jahre 2014 die Preise mehrmals deutlich erhöht worden und lagen zuletzt bei 49 Rappen pro Minute, was hart an der Schmerzgrenze war. Das Problem der Parkplatzsuche lag natürlich ausserhalb des Einflussbereichs von Mobility Go, aber wenn man am Ende einer kurzen Fahrt noch 15 Minuten einen freien Parkplatz suchen musste, ging das nicht nur auf die Nerven sondern vor allem auch ins Geld.

Catch a Car beziehungsweise Mobility Go haben uns aber auch die Chance gegeben, mit E-Fahrzeugen Erfahrungen zu machen.

Im e-up! von VW habe ich meine allererste Fahrt in einem EV gemacht. Der kleine Flitzer hat sich beim Beschleunigen angefühlt wie ein Sportwagen.
Archangel

Bei Tagesausflügen haben wir dann im e-Golf weitere praktische Alltagserfahrungen mit der Elektro-Mobilität machen können. Das agile Fahrverhalten hat uns immer sehr gut gefallen dabei.

Beim Thema Nachladen unterwegs haben wir zu Anfang allerdings etwas gebraucht, uns im Dickicht von Apps und Anbietern zurecht zu finden.

Doch warum ist Mobility Go überhaupt eingestellt worden? In der Medienmitteilung von Mobility ist die Rede von rückläufiger Kundennachfrage und hohen Kosten für den Betriebsaufwand. Die Corona-Pandemie habe zu einem Rückgang bei den Fahrzeug-Buchungen geführt. Das ist einerseits nachvollziehbar, aber andererseits darf man nicht vergessen, dass mit einem Preis von 49 Rappen pro Minute auch wie schon gesagt eine Schmerzgrenze erreicht war. Auch wir haben den Dienst nach der letzen Preiserhöhung seltener benutzt als vorher. Dazu kommen die oben erwähnten technischen Probleme rund um die App. Diese Unzuverlässigkeit war sicher nicht nur für uns ein Minuspunkt.

In einem Interview mit der Basler Zeitung (Paywall) wird Mobility-Kommunikationschef Stefan Roschi dann etwas deutlicher: “Die Parkplatzsuche hat sich schwieriger gestaltet. Wenn es weniger Parkplätze gibt, kann der Vorteil dieses Sharing-Konzepts zu einem Nachteil werden. Freefloating verliert an Reiz, wenn man mit dem ÖV schneller unterwegs ist.” Damit hat er völlig recht, wobei sich das nicht nur fürs Parkplatzsuchen gilt, sondern auch generell fürs Fahren in der Stadt: wenn man nur noch von Stau zu Stau schleicht, wird jede rote Ampel und jede Kreuzung zur Nervenprobe und potentiell auch zur Kostenfalle.

Quelle: Pixabay

Carsharing nach dem Free Floating-Prinzip ist auf fliessenden Strassenverkehr und auf genüg freie Parkplätze angewiesen. Hier offenbart sich ein Dilemma, das nicht nur die Stadt Basel betrifft. Carsharing gilt bei Auto-Herstellern, Politikern und Think Tanks als einer der grossen Trends, wenn es um die Mobilität der Zukunft geht. Sie sehen das Auto als Teil einer “multimodale Mobilität”, bei der man als Kunde unkompliziert zwischen verschiedenen Verkehrsmitteln hin- und her wechseln können soll und alle Anbieter miteinander vernetzt sind.

Ungeachtet dessen wird gerade die autobasierte Mobilität in den Städten immer mehr zurückgedrängt. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um Fahrzeuge im Carsharing-Modus oder mit E-Antrieb handelt - das Auto hat als individuelles Fortbewegungsmittel generell einen schweren Stand in unserer Gesellschaft. Städte reduzieren die Verkehrsflächen und die Infrastruktur für den motorisierten Verkehr und legen den Fokus mehr auf den öffentlichen Verkehr, Velos und Fussgänger. Vor diesem Hintergrund überrascht es auch nicht, dass beispielsweise auch in Paris ein Anbieter mit Free Floating gescheitert ist und kürzlich deutsche Auto-Hersteller ihre eigenen Car Sharing-Dienste massiv ausgedünnt haben.

Abschliessend gesagt zeigt das Schicksal von Mobility Go, dass schöne Visionen von Verkehrs-Konzepten schnell an der Realität scheitern können, wenn die Politik unkoordiniert und widersprüchlich agiert. Wenn man mittels Car Sharing die Anzahl Autos auf den Strassen reduzieren will, muss man auch die notwendigen Rahmenbedingungen dafür schaffen. Sonst soll man es lieber ehrlich sagen und zugeben, dass man das Autofahren grundsätzlich so unattraktiv wie möglich machen möchte und unter dem Label “Sharing” primär Cargo Bikes und kleine elektrische Lasten-Transporter fördern will. Da mutet es schon beinahe zynisch an, wenn die Basler Regierung unter dem Motto “Basel teilt” allen Baslerinnen und Baslern ein kostenloses Test-Abo bei Mobility offeriert. Man will damit einen Beitrag zur Erreichung der kantonalen Klima- und Mobilitätsziele leisten: Der Regierungsrat schreibt: “Das Teilen von Fahrzeugen trägt dazu bei, den Verkehr umweltfreundlicher und stadtverträglicher zu gestalten.” - noch Fragen?