Nur wenn etwas günstiger wird, muss es noch keine gute Nachricht sein. Die Schweizer Regierung hat gestern das neue Radio- und Fernsehgesetz (RTVG) beschlossen. Die Fernsehgebühren werden damit pro Schweizer Haushalt von 462 Franken pro Jahr auf etwa 400 Franken sinken. Zudem sollen alle Haushalte – egal ob Radio- und Fernsehgeräte vorhanden sind – bezahlen. Ausnahmen gibt es für Diplomaten und wie bisher für die Bezüger von Ergänzungsleistungen zur AHV oder IV. Begründet wird die allgemeine Gebührenpflicht mit der Tatsache, dass TV und Radio heute auch über Computer oder Smartphone empfangen werden können. Das ist zwar richtig, aber der Ansatz der "Mediensteuer" oder "Billag-Gebühr" ist immer noch genauso falsch, wie vor der Gesetzesrevision.
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Welche Medien ich konsumiere und nutze, um mich zu unterhalten oder informieren, ist immer noch meine eigene Entscheidung. Darum bin ich gegen einen mit gesetzlich verordneten Zwangsgebühren finanzierten Medienmoloch –auch SRG genannt. Gemäss Leistungsauftrag soll die SRG die Meinungsvielfalt sichern, viele sagen, das wäre für eine funktionierende Demokratie wichtig. Eine vielfältige Medienlandschaft ist sicher wichtig, keine Frage, aber 18 Radio- und sieben Fernsehprogramme aus demselben Haus, nenne ich nicht Medienvielfalt. Gerade die Newssendungen des Schweizer Fernsehens lassen nicht mehr erkennen, dass hier ein Informationsauftrag erfüllt wird: Es werden unkritisch die Medienmitteilungen aus dem Bundeshaus weiterverbreitet, Entwicklungen oder einzelne politische Entscheide werden kaum hinterfragt. Tourismusregionen erhalten regelmässig kostenlose Werbefenster, wenn der erste Schnee gefallen oder das Wetter längere Zeit schlecht gewesen ist. Die Redaktion findet immer einen Anlass, etwas zu einer "News" zu machen. Der Politik ist die unkritische Berichterstattung sicher recht, verfügen sie doch so über ein garantiertes Sprachrohr für ihre Propaganda. Und wie will die SRG auch kritischer berichten? – Kann sie ja gar nicht, weil ihre Vormachstellung ja politisch zementiert wird. Niemand sägt an dem Ast, worauf er sitzt.
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Die wenigsten Nachrichten haben eine direkte Relevanz für den Zuschauer: Tote in Syrien, Unwetter in Brasilien oder Bomben in Pakistan. Politiker stellen sich vor die Kamera und lassen wichtig tönende Erklärungen vom Stapel. Bezug zur Lebens-Realität der Zuschauer? Kaum, denn gemäss Tageschau des Schweizer Fernsehens gibt es keine Arbeitslosen und die Energiewende finden alle supertoll. spiegel.de-Kolumnist Georg Diez hat dies kürzlich so treffend formuliert: "All das sind Scheinnachrichten, weil so getan wird, als wäre das nun der amtliche Ausschnitt der Welt – dabei ist es doch nur staatsnahes Parteien-TV, die üblichen Vertreter der Macht, der Reichstag im Abendlicht plus das eine oder andere Erdbeben: Das eben, was Journalisten für wichtig halten, die selbst nicht wissen, warum das so ist... Sie machen Schlafwandlerfernsehen, sie nehmen die Pappworte der Parteienroboter und machen daraus ihre eigenen Pappsätze, sie vertrauen ganz der Rationalität der Macht und der Märkte, sie stellen sich vor Regierungsgebäude und wiederholen, was gerade schon in der Anmoderation und im Beitrag gesagt wurde, sie reduzieren die Veränderung der Welt zum Ritual und entziehen die Welt gerade dadurch der Veränderbarkeit: Bürokratie und Katastrophen, das ist das, was sie uns zeigen, das ist eine Strategie von "shock and awe", das stampft den Zuschauer in die Passivität, das ist die mediale Hab-Acht-Haltung und das Gegenteil von Aufklärung, wie es früher hieß, oder Empowerment, wie es heute heißt."
Neben der Demokratie ist der Zusammenhalt des Landes ein weiteres Todschlag-Argument der Gebührenbefürworter. Ich kenne nur das Schweizer Fernsehen und hier wird in den Sendungen eine ländlich geprägte Idylle propagiert, die für die meisten Schweizer nicht der Realität entspricht. Die meisten Menschen wohnen in Städten und Agglomerationen, und gehen nicht jeden Morgen jodelnd zum Kühe melken. Wenn man schon auf kulturellen Austausch zwischen den Landesteilen setzt, dann soll das Gezeigte bitte auch der Realität entsprechen.
Der Medienkonsum der Menschen verändert sich, das hat die Regierung schon richtig erkannt. Fernsehen kann man heute auch auf dem iPad im Zug. Aber nicht nur der Ort ist entscheidend, auch die Programmgestaltung. Das linear abgespulte Vollprogramm ist ein Auslaufmodell. Natürlich kann man mit einer digitalen Settop-Box Sendungen aufzeichnen und später schauen, aber wer verbringt heute mehrere Stunden am Stück vor der Glotze, um sich die Zeit zu vertreiben? Anstatt Vollprogramm braucht es mehr On-Demand Angebote, wie es Hulu und Netflix in den USA vormachen. Auch Spartenprogramme machen Sinn: Warum muss für einen Tennismatch meine Serie ausfallen? Live-Events wie Fussball oder Olympische Spiele kann man auf separaten Kanälen übertragen. Dass liesse sich heute schon machen, während dem man den Rest des Programmes in Richtung On-Demand weiter entwickelt.
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Mit dem neuen RTVG wird aber einfach der Status Quo der Schweizer TV- und Radiolandschaft zementiert. Das Inkasso der Gebühren von der Billag möglicherweise jemand anderem zu übertragen, ändern daran überhaupt nichts. Neue Angebote mit neuen Konzepten haben so keine Chance, Fuss zu fassen. Und TV via Internet dürfte den meisten Schweizer Politikern eh suspekt sein, weil sie es weniger gut reglementieren und kontrollieren können.
So stark wie bei TV und Radio wird für kein anderes Mediensegment in der Schweiz durch Gesetze eine Vormachstellung zu Gunsten eines Unternehmens geschaffen. Oder auf was muss ich mich noch gefasst machen? Eine Gebühr für die Basler Zeitung, weil sie einen wertvollen Beitrag für die Region leistet in der ich wohne, egal ob ich sie lese oder nicht?