Seitdem die Deutsche Telekom die neuen Verträge publiziert hat, in denen die Drosselung der Zugangsgeschwindigkeit nach der Erreichung eines gewissen Datenvolumens festgeschrieben wird, ist in Foren, Kommentarfunktionen und auf Facebook der T-Teufel los. Alles andere wäre ja auch überraschend gewesen. Telekom-Chef René Obermann giesst mit seiner arroganten Reaktion auf die Kritik von Kunden und der deutschen Politik jedoch nur mehr Öl ins digitale Feuer.
Quelle: stock.xchng
In einem Artikel auf Spiegel Online wird seine Argumentation wie folgt zusammengefasst: "Die geplanten Tarifänderungen der Deutschen Telekom bezeichnet Obermann in dem Schreiben hingegen als "fair". Damit gelinge es, für "circa 97 Prozent der Kunden die Preise stabil zu halten". Von der vorgesehenen Preisänderung seien nur "drei Prozent der Kunden betroffen. Diese Kunden nutzen in unserem Netz zehn- bis 20-mal größere Datenmengen als ein durchschnittlicher Kunde, der 15 bis 20 Gigabyte pro Monat verbraucht", so der Telekom-Chef."
Was Obermann oder die Deutsche Telekom mit ihrem Vorgehen wirklich erreichen wollen, ist mir immer noch nicht wirklich klar. Wenn wirklich nur drei Prozent der Kunden durch eine grosse – und aus der Sicht der Telekom eine problematische – Datenmenge auffallen, ist die Reaktion für alle eine Beschneidung einzuführen, komplett überzogen. Jeder Dienstleister muss damit leben, dass seine Kunden seine Angebote unterschiedlich nutzen. Und wegen drei Prozent wird man kaum das gesamte Angebot umstellen. Also muss noch etwas anderes dahinter stecken. Und die angeblich durchschnittlichen 15 bis 20 Gigabyte halte ich für wenig realistisch: Mit ein paar Windows- und Softwareupdates, Streaming via Spotify, ein neues Spiel von Steam, der Nutzung von Clouddiensten und Publizieren von eigenen Inhalten ist dieser Wert schnell erreicht. Gerade wer Onlinedienste nicht nur Konsumiert sondern auch für die eigene Kreativität und den Dialog mit anderen nutzt, wird schnell grössere Datenmengen erzeugen oder mit dem neuen Regime einfach in seiner persönlichen Entfaltung eingeschränkt. Armes Deutschland, wenn das das Ziel der Telekom ist.
Auch mit den Argumenten der aktuellen Debatte ist Obermann nicht zufrieden:
Begriffe wie Netzneutralität und Sicherstellung von Wettbewerb werden dahingehend missbraucht, einen Flatrate-Anspruch auf unbegrenztes Datenvolumen im Internet zu zementieren Quelle: golem.de
Herr Obermann vergisst hier wohl, dass ein Datenvolumen, bei dem man nicht immer auf den "Zähler" schauen muss, die Voraussetzung für viele Anwendungen im Internet ist. Und es ist aus meiner Sicht unbestritten, dass die Netzneutralität durch die Bevorzugung einzelner Dienste in Gefahr ist.
Die Datenmenge, die jemand verbraucht ist sicher individuell. Überfliegt man Kommentare in diversen Foren, wird eine hohe Datenmenge schnell mit "illegalem Download" oder dem Dauerkonsum von Pornos gleichgesetzt. Das ist natürlich angesichts der zahlreichen Services absoluter Quatsch und auch Ausdruck einer ziemlichen Borniertheit. Auch habe ich bei manchen Texten den Eindruck, hier argumentieren Leute, die von einer PR-Agentur bezahlt wurden, um für die Telekom Stimmung zu machen. Derartige Kampagnen kennt man beispielsweise aus der Schweiz als der Wirtschaftsverband economiesuisse von bezahlten Usern Online-Kommentare verfassen liess, um gegen die so genannte "Abzockerinitiative" Stimmung machen zu lassen.
Auf die Spitze treiben es Kommentare wie dieser, die man haufenweise findet:
Richtig so. Ich arbeite auch bei einem ISP. Und was manche Kunden da saugen ist nicht mehr normal. Wir haben Kunden, die saugen mit einer 16M Leitung, 4 TB im Monat. Es verhält sich ähnlich wie bei der Telekom. 5% der Kunden machen 40% des Traffics aus. Sorry aber ich kann die Telekom da völlig verstehen... Irgendwann musste das so kommen. Ich finds OK. 100GB sollte jedem, auch Power nutzer reichen, wenn nicht, dann stimmt was nicht mit seinem Internetverhalten. Quelle: golem.de
Menschen, die sehr technikaffin sind und deren Medienkonsum stark auf das Internet ausgerichtet ist, müssen momentan in Deutschland ein dickes Fell haben, den persönliche Attacken und Beleidigungen sind an der Tagesordnung. Etwas Hoffung bietet immerhin die Ankündigung, dass die deutsche Bundesnetzagentur den Fall "Drosselung" unter die Lupe nehmen will.
Was wir bei hitzestau.com an Traffic verursachen, können wir nur schwer abschätzen. Modem und Router geben uns darüber keine Auskunft. Aber wir werden nach einer Möglichkeit suchen, für uns diese Daten mal zu erheben. Wer weiss, ob nicht auch jemand in der Schweiz auf dumme Ideen kommt...