Star Trek: Das Ende einer Legende

Star Trek: Das Ende einer Legende

Von Hitzestau - 13.05.2020

Wir nehmen das Ende der ersten Staffel von Star Trek: Picard zum Anlass, einen Rückblick auf die gesamte erste Staffel zu machen. Uns geht es dabei nicht darum, hier Episode zu Episode zu reviewen, sondern wir wollen unseren Gesamteindruck von allen zehn Episoden zusammenfassen. Zudem wollen wir schauen, in welchem "Zustand" sich das Star Trek-Franchise aktuell befindet.

Unser Artikel ist umfangreicher geworden als ursprünglich geplant, dafür aber auch sehr ausführlich. Auf Spoiler nehmen wir hier im Folgenden keine Rücksicht.

Quelle: Amazon Prime Video

Fangen wir mit der guten Nachricht an: Star Trek: Picard ist kein Prequel und keine Origin Story, die uns lang und breit erzählt, wie aus dem jungen Kadetten der charismatische Captain wurde. Nach den zwei Prequel-Serien Star Trek: Enterprise und Star Trek: Discovery und den Reboot-Filmen rund um Captain James T. Kirk von J.J. Abrams geht Star Trek jetzt endlich wieder auf der Zeitlinie "nach vorne" in die Zukunft. Endlich wissen wir, wie es nach dem Machtkampf im romulanischen Imperium und den zerstörerischen Plänen des neuen Herrschers, die wir im Kinofilm Star Trek: Nemesis erlebt hatten, weiterging. Denn über das Jahr 2379 hinaus, in dem die Handlung des Films spielt, ist wenig bekannt.

Die Hintergrundgeschichte von Star Trek: Picard ist schnell erzählt. Im Jahre 2385 gab es auf dem Mars einen Angriff auf die Utopia Planitia Shipyards, der von den dort arbeitenden Androiden - die jetzt "Synth" genannten werden - ausgeführt wurde. Eine grosse Flotte von im Bau befindlichen Schiffen wurde dabei zerstört. Diese Flotte war jedoch Teil eines Evakuierungsplans für den Planeten Romulus, der von einer Supernova bedroht wurde. Admiral Picard war innerhalb von Starfleet verantwortlich für das gesamte Vorhaben. Als Konsequenz aus dem Angriff entschied man sich jedoch, den Plan fallen zu lassen und belegte die "Synth" mit einem Bann. Im Streit verliess Picard deshalb den aktiven Dienst und zog sich auf das Weingut seiner Familie zurück. Der Planet Romulus wurde dann zwei Jahre später durch die Supernova zerstört.

Und genau auf diesem Weinberg begegnen wir Jean-Luc Picard im Jahre 2399 wieder.

Quelle: Amazon Prime Video

Captain Picard als Rentner, was kann da schon schief gehen? So ziemlich alles, denn das ist der Moment, in dem der Albtraum beginnt… er dauert volle zehn Episoden und sogar noch darüber hinaus.

Writer’s Room als Crime Scene

Mit Star Trek: Picard setzen die Produzenten und Autoren konsequent den Kurs fort, der mit den drei Kino-Filmen der Kelvin-Timeline und Star Trek: Discovery vorgegeben war. Dabei handelt es sich um nichts geringeres, als einen kompletten Umbau des Star Trek-Universums. Schon nach dem Ende der ersten Staffel von Discovery hatten wir deshalb für uns persönlich Star Trek zu Grabe getragen. Damals hatten wir unter Schmerzen Abschied genommen und festgehalten, dass es "Star Trek wie wir es kannten, nie mehr geben wird". Wir prophezeiten, dass es unter dem Label Star Trek in Zukunft "nichts mehr mit Hirn und Seele" zu erwarten sei - und wir sollten Recht behalten.

Nichts fühlt sich bei Star Trek: Picard wie ein Teil des Star Trek-Universums an. Produzenten und Autoren ignorieren einfach den gesamten Star Trek-Kanon und präsentierten ihre eigene absurde und pervertierte Version. Mit ihrer Abkehr vom utopischen Universum von Gene Roddenberry und der Transformation in eine dystopische Zukunftsvision beraubten sie Star Trek seiner Seele.

Bei Star Trek: Picard spürt man die Auswirkungen dieses Kurses als Zuschauer umso deutlicher, da sich die Serie nicht um neu eingeführte Figuren wie Michael Burnham dreht, sondern um eine der zentralsten und beliebtesten Figuren aus Star Trek überhaupt. Aber der Umbau von Star Trek hat auch vor Jean-Luc Picard selbst nicht halt gemacht, darauf werden wir jedoch später im Text eingehen.

Bei Discovery konnte man immer sagen, die Serie sei ein Prequel und alles würde sich dann später so entwickeln wie wir es kennen. Wir sind jedoch unterdessen zur Überzeugung gekommen, dass man als Fan einer Selbsttäuschung unterliegt, wenn man so denkt. Es ging und geht den Produzenten immer um einen Umbau des gesamten Franchise, unabhängig davon wo auf der fiktiven Zeitlinie wir uns gerade mit einer Serie befinden. Mit Picard und Discovery erleben wir nicht einfach nur Serien, die einen anderen Stil pflegen als ihre Vorgänger. Nein, hier werden die Geschichte eines kompletten Franchise und sein Kanon neu geschrieben und alle Erinnerungen, die wir als Zuschauer und Fans zu haben glaubten, werden durch neue ersetzt. Es erinnert ein wenig an den Roman 1984 von George Orwell, wo auch historische Ereignisse und Fakten laufend rückwirkend umgeschrieben werden. Es könnte also sein, dass es die "heile Welt" von Star Trek: The Next Generation vielleicht gar nie gegeben hat.

Wir reden also nicht von kleinen und punktuellen Ungereimtheiten, wie sich sich in jedem Franchise über die Zeit entwickeln können. Man denke beispielsweise an Khan Noonien Singh, der in Star Trek II: The Wrath of Khan zu Chekov sagt, er vergesse nie ein Gesicht. Dabei wurde Walter Koenig in der Rolle des Pavel Chekov erst in der zweiten Staffel der Original-Serie eingeführt. Die Geschichte mit Khan, auf die sich der Kinofilm bezieht, stammte jedoch aus Space Seed, einer Episode der ersten Staffel.

Ein Paradebeispiel für den Umbau ist die Geschichte um Data’s Tochter, die als einer der Aufhänger für die Serie fungiert. Langjährige Star Trek-Zuschauer kennen die Episode The Offspring aus der dritten Staffel von Star Trek: The Next Generation. Hier baut Data ein positronisches Gehirn und einen Androiden-Körper, der den Namen Lal bekommt. Data stellt diesen dann dem Captain und der Crew als sein Kind vor. Als sich der Androide für ein weibliches Äusseres entscheidet, wird Lal zu seiner Tochter.

Für Star Trek: Picard ignorieren die Autoren diese Geschichte einfach komplett, als wäre alles nie so passiert und präsentieren eine andere Form von "Tochter". Die Erklärungen über ihre Herkunft sind komplett absurd. Bei Picard gibt es Androiden aus Fleisch und Blut und es ist möglich, aus einem einzigen positronischen Teilchen ein neues positronisches Gehirn zu bauen und die gespeicherten Erinnerungen zu rekonstruieren. Allerdings müssen es dann immer Zwillinge sein.

Für das Franchise als Ganzes hat so ein Vorgehen von Seiten der Autoren tiefgreifende Folgen. Auch wenn man die genannte "Kelvin Timeline" ausser acht lässt und sich nur auf die "Prime Timeline" konzentriert, gibt es innerhalb dieser keine Konsistenz mehr. Dies bezieht sich auf einzelne Fakten wie die eben angeführte Herkunft von Data’s Tochter, aber auch auf den generellen Umbau von Star Trek in eine dystopische Zukunftsvision, auf die wir im nächsten Kapitel näher eingehen werden.

Als einzige Erklärung, um all die Veränderungen zu erklären, könnten die Autoren die so genannte Multiverse-Theorie anwenden, wie wir sie schon in der Episode Parallels gesehen haben. Sie wird auch in anderen Franchises benutzt, um Unterschiede im Narrative zwischen verschiedenen Serien zu erklären. Dann würde alles, was wir bei Star Trek: Picard sehen oder vorher bereits stattgefunden hat, in einer komplett eigenen Zeitlinie spielen.

Aber es ist nicht unsere Aufgabe als Zuschauer Erklärungen dafür zu finden, warum die Serie so schlecht ist. Denn es geht nicht nur um den Umbau von Star Trek. Die Serie und ihre einzelnen Episoden sind erschreckend schlecht geschrieben und viele Handlungs-Elemente und Figuren sind aus anderen Serien und Kino-Filmen schlichtweg geklaut.

Neben der komplett umgeschriebenen Geschichte um "Data’s Tochter" wird mit der romulanischen Supernova auch ein Ereignis aus den Roboot-Filmen von J.J. Abrams als Teil der Hintergrundgeschichte von Star Trek: Picard verwendet. Es ist eine haarsträubende Geschichte egal aus welcher Perspektive man es anschaut, denn sie wirft nur Fragen auf wie: Hat das Romulan Empire keine eigenen Schiffe und Infrastruktur, um eine Evakuierung durchzuführen? "Empire" sollte doch auf eine gewisse Grösse und damit auch auf umfangreichen Ressourcen hindeuten, um so eine Aktion selber durchzuführen. Oder hat die Föderation die Romulaner jahrzehntelang überschätzt und grundlos vor ihnen Angst gehabt? Gerade die stolze und arrogante romulanische Führung hätte sich doch nie im Leben von Starfleet retten lassen. Zudem entwickelt sich eine Supernova über einen langen Zeitraum, die Romulaner hätten also theoretisch sehr viel Zeit gehabt, die Evakuierung durchzuführen. Im Kinofilm von J.J. Abrahms sieht man auch Spock, der sehr viel Zeit hatte, ein Schiff und eine entsprechende Technologie zu entwickeln, um die Supernova zu verhindern. Es ist unmöglich abzuschätzen, ob die Autoren derartige Logik-Lücken nicht selber erkennen oder ob sie einfach darüber hinweg sehen, weil es sonst nicht in ihre Geschichte hineinpassen würde.

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Der Ort, wo all diese Verbrechen begangen werden, ist der Writer’s Room, wo alle "kreativen" Köpfe der Produktion die Leitlinien für die Serie festgelegt haben. Verantwortlich dafür waren Alex Kurtzmann und Michael Chabon als Serien Creators und Showrunner, deren schiere Inkompetenz und Arroganz aus jedem einzelnen Pixel des Fernsehers trieft, wenn man die Serie schaut. Alex Kurtzmann war schon bei den ersten beiden Star Trek-Filmen von J.J. Abrams als Produzent und Autor dabei und mit seiner eigenen Firma Secret Hideout produziert er aktuell für ViacomCBS alles, was mit Star Trek zu tun hat.

Als nächstes wollen wir konkreter auf den "Umbau" von Star Trek eingehen, den wir in diesem Kapitel öfters angesprochen haben. Um diesen besser zu verstehen, müssen wir zuerst einen kleinen Exkurs in die Geschichte machen...

Leben in Utopia

Das Universum von Gene Roddenberry war immer als Utopie konzipiert. Figuren und Geschichten zeigten uns eine bessere Zukunft. Eine Stärke, und es gehörte sozusagen zum Charakter von Star Trek, war es gesellschaftspolitische und sozialkritische Geschichten in Form von Allegorien zu erzählen. So konnten die Autoren in den 1960er Jahren, Themen wie soziale Ungerechtigkeit, Rassismus, Ausbeutung oder militärisches Wettrüsten zur Sprache zu bringen ohne sie mit der damaligen politischen und gesellschaftlichen Situation in den USA direkt in Verbindung zu bringen. Gene Roddenberry verlegte die Handlung in die Zukunft und auf einen weit entfernten Planeten. Und es war nicht die Menschheit, die Probleme hatte. Auf der Brücke der U.S.S. Enterprise von Captain Kirk dienten alle friedlich miteinander - es waren die Bewohner der fremden Planeten, deren Gesellschaften durch soziale Ungerechtigkeiten, totale Abhängigkeit von einem Computer oder unversöhnlichen Hass aufeinander geprägt waren. So umging Roddenberry die damals noch bestimmende Zensur, welche soziale, moralische und politische Normen für Kino- und TV-Produktionen festlegte.

In seinen Grundzügen galt dieses Konzept dann auch für die Serie Star Trek: The Next Generation, die im September 1987 ihre Premiere erlebte. Mit späteren Serien, vor allem mit Deep Space Nine und Enterprise wurde dieses Konzept zwar von den Autoren immer wieder in Frage gestellt und in manchen Episoden wurden seine Grenzen ausgelotet und vielleicht auch überschritten, aber im Kern blieb die Idee immer erhalten.

Willkommen in Dystopia

Bei Star Trek: Picard erleben wir das komplette Gegenteil von Roddenberry’s Welt. Star Trek: Picard spielt aber nicht mehr auf dem Planeten Ardana und in der Wolkenstadt Stratos City, um nur ein Beispiel aus der Original-Serie zu nennen. Wir sind zu Anfang der Serie auf dem Planeten Erde, was für Star Trek-Verhältnisse zugegebenermassen sowieso schon eher ungewohnt ist. Und die Erde ist, um es mal in der Sprache der Serie zu sagen, ein ziemlich "abgefuckter" Ort.

Die Autoren greifen politische und gesellschaftliche Themen aus unserer Gegenwart wie nationalstaatliche Isolation, Technikfeindlichkeit und die Debatten um Multikulturalismus und Gender auf. Sie verarbeiten sie aber nicht im Kontext eines anderen Planeten sondern im Kontext der Gesellschaft auf der Erde. Um das möglich zu machen, verändern sie das gesamte Narrative von Starfleet, der Federation und von bekannten Figuren wie Picard.

Earth First!

Es ist nicht mehr der Forscher-Drang, der die Menschheit antreibt. "To boldy go where no one has gone before…" war gestern. In der Welt von Star Trek: Picard wurden die Mauern hochgezogen um sich am besten aus interstellaren Konflikten herauszuhalten. Die grundlegenden Werte der Federation und von Starfleet haben sich ins Gegenteil gewandelt. Auslösendes Moment dafür war die Zerstörung der Utopia Planitia Fleet Yards durch eine Gruppe von Synths. Aber schon die Pläne für die Evakuierung von Romulus waren eine Zerreissprobe für die United Federation of Planets gewesen, denn mehrer Mitglieder drohten damit, das Bündnis zu verlassen. Nach dem Angriff auf den Mars war es daher nicht möglich, die Pläne in einer anderen Form weiter zu verfolgen.

Klar, die Autoren brauchten einen Grund in ihrer Geschichte, um die "Welt" nach ihren Bedürfnissen anzupassen. Nur ist dieser nicht gerade sehr überzeugend. In der Geschichte von Star Trek war die Erde selbst schon unzählige Male das Ziel von Angriffen gewesen. Man denke nur an die Xindi, die Borg oder den Dominion—Krieg. Auch der missglückte Staatsstreich von Admiral Leyton hat es nicht geschafft, den Kurs von Starfleet oder der Federation nachhaltig zu verändern. Und sogar die fremdenfeindlich ausgerichtete Organisation Terra Prime hat es nicht fertig gebracht, dass alle Ausserirdischen die Erde verlassen müssen. Im Gegenteil, in der gleichnamigen Enterprise-Episode erleben wir die Planung einer zukünftigen Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Rassen im Alpha-Quadranten.

Nie wäre die Reaktion so ausgefallen, wie uns jetzt die Macher von Star Trek: Picard weis machen wollen. Auch in unserer realen Geschichte haben die USA nach dem Angriff auf Pearl Harbour im Jahre 1941 sich nicht als verwundete Nation eingeigelt. Abgesehen davon, würde eine solche Reaktion Starfleet als Organisation eigentlich obsolet machen - oder sogar die United Federation of Planets. So gesehen wirkt dieser Umbau von Star Trek ziemlich implausibel und absurd.

Böse Technik

Genauso an den Haaren herbeigezogen wirkt es, nach dem Angriff auf den Mars alle Synth einfach mit einem Bann zu belegen. Es ist verboten neue Androiden zu bauen, nur noch die theoretische Forschung mit Simulationen ist erlaubt. Star Trek hat uns in allen Serien und Kinofilmen immer eine Gesellschaft präsentiert, bei der Technologie auf einem hohen Niveau wie selbstverständlich in den Alltag integriert ist - daher ist es schwer vorstellbar, das selbst so ein katastrophales Ergebnis wie der Angriff auf den Mars daran etwas grundlegend ändern könnte. Für uns werden da einfach die immer wiederkehrende "Killerspiel-Debatte" oder die Forderung den Kindern weniger oder keine Bildschirmzeit mit Smartphones und Tablets zu gewähren, in die Zukunft transportiert. Aber genau wie der Isolationismus von Starfleet bricht dies mit allem, was bisher in Star Trek für die Menschheit auf der Erde etabliert wurde.

To boldy woke where...

In Star Trek war es schon immer selbstverständlich, dass in der Federation und in Starfleet verschiedene Geschlechter und Rassen gleichberechtigt nebeneinander gelebt und gearbeitet haben. Bei Star Trek: Picard wurde auch dieser Grundsatz ins Gegenteil verkehrt.

Die Synths, welche auf den Utopia Planitia Shipyards arbeiten, werden wie eine Sklavenrasse behandelt. Es ist offenbar normal geworden, sie einfach als "plastic people" anzusprechen oder in ihrer Gegenwart herablassende Sprüche zu machen. Heute würden wir so ein Verhalten als Mobbing bezeichnen. Alle Debatten um die Rechte von Data und dem Holodoc aus The Next Generation und Voyager scheinen vergessen bzw. nichts gefruchtet zu haben.

Sämtliche Figuren, die in der Serie in irgendeiner Macht- oder Einflussposition gezeigt werden, sind Frauen. Das Star Trek-Universum wird von den Produzenten und Autoren ganz klar bezüglich dem Verhältnis von Geschlechtern und Rassen umgebaut, um ihre eigenen gesellschaftliche Ideen für unsere "reale" Gegenwart, zu propagieren. Sie machen dabei einen kapitalen Fehler: Themen, die in der Welt von Star Trek eigentlich als überwunden galten, werden hier wieder in die fiktive Gesellschaft eingeführt, als hätte sie es immer gegeben. In englisch-sprachigen Medien wird dafür der Begriff "woke" verwendet. Insbesondere im Zusammenhang mit Filmen und Serien, die als "woke" bezeichnet werden, steht das Wort für Geschichten und Figuren die mit als patriarchal empfundenen Strukturen brechen und generell soziale und politische Ungerechtigkeiten basierend auf Rasse und Geschlecht thematisieren.

Von Science-Fiction zu Fantasy

Star Trek ist seit den 1960er Jahren ein Science Fiction-Franchise. Wer erinnert sich nicht an Szenen mit endlos langem Techno-Babble, der auch zum Markenzeichen von Star Trek gehört? Seit dem Reboot von J.J. Abrams integrieren die Autoren immer mehr Fantasy-Elemente. Das ist auch bei Star Trek: Picard nicht anders, wohl ein Grund mehr, warum sich die Serie überhaupt nicht mehr wie ein Teil des Star Trek-Universums anfühlt.

Michael Chabon, der als Showrunner für einen Teil der ersten Staffel verantwortlich war, trägt dafür mit die Verantwortung. Als Autor hat er schon Fantasy-Romane veröffentlicht und einige seiner Arbeiten für Hollywood sind von Fantasy-Elementen geprägt.

Bei Star Trek: Picard fällt die ganze Geschichte von Picard’s Träumen von Data und den gemalten Bildern von dessen angeblicher Tochter in die Fantasy-Ebene. Auch die Space-Blumen in den letzten beiden Episoden, die den Heimatplaneten von Soji verteidigen, gehören definitiv ins Fantasy-Reich. Ebenfalls dahin gehört das wundersame Multifunktions-Werkzeug, mit dem man alles reparieren kann, wenn man nur ganz stark daran denkt. Es kommt als billiges "Deus Ex Machina" in der letzten Episode der ersten Staffel zum Einsatz. In die gleiche Kategorie "fantastischer Technologie" gehört das Gerät zur forensischen molekularen Rekonstruktion um vergangene Ereignisse zu visualisieren. Dies benutzt die Haushälterin von Picard in der zweiten Episode, um die Wohnung von Dahj zu untersuchen und herauszufinden, was sich dort abgespielt hat.

In der ersten Episode besucht Picard die Starfleet Archives, wo seine persönlichen Gegenstände aus seiner aktiven Dienstzeit aufbewahrt werden. Von der visuellen Aufmachung mit den schier endlosen Reihen von Regalen, die gut auch aus Star Wars stammen könnten und der Präsenz eines KI-gesteuerten Hologramms als "Bibliothekar" trägt es eine deutliche Fantasy-Handschrift. Dazu passt auch die Art und Weise wie sich die Verpackung der archivierten Gegenstände auffaltet.

Bad Writing

Uns geht es aber nicht nur um den Umbau des Star Trek-Universums. Wie wir bereits kurz angeschnitten hatten, sind die Serie und die einzelnen Episoden erschreckend schlecht geschrieben. Alles wirkt flach und uninspiriert und spricht uns als Zuschauer auch emotional nicht an.

Für uns fassen wir dies unter dem Begriff "bad writing" zusammen - was auf Deutsch etwa soviel wie "schlechte Autoren-Arbeit" bedeutet. In Bezug auf Star Trek: Picard bezieht sich dies konkret auf die Handlung der Serie als Ganzes, die einzelnen Geschichten und wie mit den Figuren umgegangen wird. Also wie sie angelegt sind, welche Funktion sie innerhalb der der Handlung haben und wie sie von den Autoren weiterentwickelt werden.

Aber damit noch nicht genug: Wie man als Zuschauer schnell feststellt, haben die Produzenten und Autoren nichts anderes gemacht, als viele alte Kamellen aus der Krypta unter dem Studiogelände von Paramount auszugraben. Das fängt mit Picard selbst schon an, und geht dann weiter zu Data, Seven of Nine, Riker, Troi, den Romulanern und den Borg. Auch Elemente wie "Data’s Tochter" und die "romulanische Supernova" gehören in diese Kategorie. Aber auch darüber hinaus kommt einem vieles irgendwie bekannt vor, weil viele Handlungs-Elemente und Figuren aus anderen Serien und Kino-Filmen schlichtweg geklaut worden sind. Damit ist die Unfähigkeit der Produzenten und Autoren, keine eigenen Ideen zu entwerfen, aber noch lange nicht erschöpft. In der Umsetzung der einzelnen Episoden bedienen sie sich hemmungslos bei Werken anderer - und das mehr schlecht als recht. Dabei geht es von einzelnen visuellen Elementen bis hin zu ganzen Szenen, die wie nachgedreht aussehen, wenn man sie mit dem Original vergleicht. Star Trek: Picard ist so gesehen nicht viel mehr als eine Aneinanderreihung von Versatzstücken aus der kreativen Arbeit von anderen.

Als krassestes Beispiel dafür können wir die Szene in der letzten Episode erwähnen, als Soji das Portal öffnet, um die anderen künstlichen Lebensformen herbeizurufen. Der Ablauf ist beinahe Schnitt für Schnitt aus Hellboy (2004) nachgestellt. Es gibt sogar Videos auf YouTube, welche beide Produktionen gegenüberstellen - von selber hätten wir es nicht bemerkt, da wir den Film nie gesehen haben. In der allerersten Episode sind viele Szenen rund um Dahj visuell stark an den ersten Blade Runner-Film angelehnt.

Diese beiden Beispiele zeigt sehr deutlich die Geisteshaltung von Kurtzman & Co. Sie verändern bekannte Elemente und Figuren aus Star Trek, reichern dies mit ein paar Versatzstücken aus anderen Franchises an und servieren dies dem Zuschauer. Und um es etwas abzurunden, spendiert man dem Zuschauer noch ein paar optische Leckerbissen, wie man es in der ersten Episode gemacht hat. Die alten TNG-Uniformen, die Enterprise-D als Hologramm, ein paar Starfleet-Insignien und ein klingonisches Bat'leth an der Wand waren gezielt platziert um etwas Vertrautheit zu erwecken.

Die Handlungs-Idee, das künstliche Lebensformen auftauchen, die in der ganzen Galaxie organisches Leben auslöschen wollen, ist übrigens stark an Mass Effect angelehnt.

Mit der in Star Trek: Picard gezeigten Auseinandersetzung zwischen Mensch und von ihm geschaffene künstliche Lebensformen wie "Androiden", "Synths" oder "Cyborgs" greift die Serie sogar eines der ältesten Themen der Filmgeschichte auf - also auch hier nichts innovatives aus der Kurtzman’schen Küche. Denn in ihrer Urform gibt es diese Geschichte mit Prometheus oder Pygmalion schon seit der Antike, auch Mary Shelley hat mit ihrem Roman Frankenstein eine archetypische Vorlage geliefert: die künstliche geschaffene Kreatur erhebt sich gegen ihren Schöpfer und will ihn vernichten. Auch in der jüngeren Pop-Kultur wurde das Thema Mensch und Maschine immer wieder aufgegriffen - und meist besser umgesetzt als bei Star Trek: Picard. Man denke nur an The Terminator 1 & 2, Blade Runner (1982), Battlestar Galactica (2003-2009) oder das Westworld-Franchise. Aber auch The Next Generation selbst hat es mit Episoden wie Measure of a Man, The Offspring oder Hero Worship einfach besser gemacht. Bei Star Trek: Voyager denken wir unter anderem an Episoden wie Real Life, Flesh and Blood und Author, Author.

Wir haben hier eine Liste mit Produktionen und Franchises zusammengestellt, bei denen sich die Produzenten von Star Trek: Picard abgesehen von früheren Star Trek-Produktionen in der einen oder Form bedient haben. Die Aufzählung ist natürlich nicht als komplett zu verstehen: Lord of the Rings, Avatar, Battlestar Galactica, Westworld, Blade Runner, Bicentennial Man, Hellboy, Babylon 5, The Expanse, Mass Effect, EVE Online.

Fortlaufende Handlung und Geschichten

Gestattet uns eine kleine Vorbemerkung: Wenn wir hier im Text die Worte "Handlung" oder "Geschichte" verwenden oder schon verwendet haben, ist das im Zusammenhang mit Star Trek: Picard eigentlich völlig unangebracht.

Es entspricht den heutigen Sehgewohnheiten, über eine Staffel hinweg eine fortlaufende Handlung zu erzählen. Viele Serien greifen zu diesem Stilmittel. Aber es muss nicht für jede Serie oder jedes Franchise die geeignete Erzählform sein. Star Trek hat in der Vergangenheit immer dann am besten funktioniert, wenn in jeder Episode eine abgeschlossene Geschichte erzählt wurde oder man dies mit übergreifenden Story-Elementen kombiniert hat.

Eine fortlaufende Geschichte über 10 Episoden hinweg zu erzählen, erfordert nicht nur genügend Substanz bei der Handlung selbst, sondern stellt auch hohe Anforderungen an die innere Konsistenz. Beides sind die Autoren von Picard nicht in der Lage zu liefern. Für den Zuschauer gibt es über die 10 Episoden der ersten Staffel der Serie hinweg keine nachvollziehbare oder durchgehende Handlung.

Die Serie beginnt mit einer Traum-Sequenz von Picard, wie er von Data träumt. Dann folgen ein paar Szenen von einer jungen Frau und ihrem Freund in einer Wohnung die plötzlich von einem Entführungs-Kommando angegriffen werden. Sie schafft es scheinbar ohne Probleme alle zu töten und zu entkommen - sie einfach herauszubeamen ist wohl den Drehbuchautoren nicht in den Sinn gekommen oder es hätte es ihnen verunmöglicht, ihre geplante Geschichte weiterzuerzählen. An solche Logik-Schnitzer muss man sich als Zuschauer bei Star Trek: Picard gleich von Anfang an gewöhnen. Die junge Frau irrt danach total aufgewühlt, durch die Strassen und sieht auf einem Bildschirm Szenen aus einem Federation News Network (FNN)-Interview von Picard. Kurze Zeit später taucht sie dann auch schon auf dem Weingut von Picard auf.

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Er beschliesst, ihr zu helfen, da sie sich offensichtlich in einer Notlage befindet. Picard beginnt Fragen zu stellen, Informationen zu sammeln und zu recherchieren und dann kommt eins zum anderen.

Aber konsequent vorangetrieben wird diese Geschichte von den Autoren auch nicht wirklich. In den meisten Episoden wird viel Zeit dafür verwendet, irgendwelche Neben-Handlungen und -schauplätze abzuarbeiten. Die einzelnen Episoden sind erschreckend schlecht geschrieben und nicht mehr als eine Aneinanderreihung von absurden Ereignissen.

Kommt hinzu, dass die Autoren für kaum etwas in ihren Geschichten eine solide Faktenbasis etablieren oder Zusammenhänge für den Zuschauer verständlich erklären, sondern immer nur das absolute Minimum liefern, welches es gerade für eine Szene braucht. Und auch hier zeigen sie keine Konsistenz über mehrere Episoden hinweg. So fängt man als Zuschauer an zu versuchen die Lücken zu füllen, was zwangsläufig zum Scheitern verurteilt ist.

Am Ende der letzen Episode der Staffel haben wir uns als Zuschauer mit vielen ungeklärten Fragen wiedergefunden: Um was geht es in der Serie? Was will sie uns erzählen? Warum tut Picard all das und nimmt diese Strapazen auf sich? Welche Schuld glaubt er auf sich geladen zu haben? Was sollen wir als Zuschauer aus der Serie mitnehmen? Das sind ganz simple Fragen, die sich bei Star Trek: Picard nicht beantworten lassen, denn wie all diese einzelnen Geschichten miteinander verknüpft sind, lässt sich rückblickend kaum logisch geschweige denn sinnvoll erklären:

  • Junge Frau aka “Tochter von Data” bittet Picard um Hilfe
  • Suche nach Bruce Maddox
  • Forschungen auf dem stillgelegten Borg-Schiff
  • Suche nach dem Heimatplanet von Soji
  • Kampf des Zhat Vash gegen künstliche Lebensformen
  • Unterwanderung von Starfleet
  • Künstliche Lebensformen wollen organische Lebensformen in der Galaxie vernichten
  • Pläne der “Synth” und von Dr. Altan Inigo Soong

Dieses Chaos, was die Autoren anrichten, macht es auch unmöglich, vertieft über einzelne Aspekte der Serie zu diskutieren, ohne dass man dabei vor lauter Logik- und Handlungs-Lücken den Verstand verliert - sofern man denn damit überhaupt seine Freizeit verbringen will. Man dreht sich dabei immer wieder im Kreis. Es fühlt sich etwa so an, wie das Programm, welches Captain Picard in I Borg ins Borg-Kollektiv einschleusen wollte. Das geometrisches Rätsel sollte die gesamte Rechenkraft aller Borg-Drohen überlasten und damit die Bedrohung durch die Borg ein für alle Mal beenden.

Bleiben wir noch einen Moment bei den Borg, genauer gesagt dem vom Kollektiv getrennten Borg-Schiff, welches vom romulanischen Borg Artifact Research Institute betrieben wird und in der Serie einfach als "Artifact" bezeichnet wird. Sinn und Zweck dieser ganzen Nebenhandlung haben sich uns als Zuschauer nie so ganz offenbart. Alles was dort an Bord passiert, hätte auch genauso gut an einem anderen Ort spielen können. Es wirkt zwanghaft aufgedrückt und soll höchstens als Fan-Service etwas Vertrautheit symbolisieren, wobei die Borg schon in unzähligen Episoden und einem Kinofilm mehr als ausführlich thematisiert worden sind. Sehr konstruiert wirkt auch die Anwesenheit von Hugh auf dem Schiff. Aber wie so oft in Picard mit einzelnen Handlungs-Elementen geschieht: das Borg-Schiff und die Drohnen, die noch an Bord waren, verpuffen am Schluss im dramaturgischen Vakuum.

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Die Autoren machen keine gute Figur

Wenn es darum geht, eine nachvollziehbare Geschichte zu erzählen, sind die Autoren von Star Trek: Picard wie wir schon festgestellt haben, komplett gescheitert. Eng damit verbunden ist wie sie mit ihren Figuren umgehen. Auch da können wir nichts anderes als ein komplettes Versagen verbuchen.

Die Haupt- und Nebenfiguren sind in Star Trek: Picard leere Hüllen ohne Inhalt, sie sind verloren in sinn- und handlungsbefreiten Situationen. Fragen, wie etwa warum sich eine Figur so verhält wie sie es tut oder was sie antreibt und motiviert, darf man bei Star Trek: Picard sowieso nicht stellen - denn die Autoren haben sich auch nicht die Mühe gemacht, sich darüber Gedanken zu machen und uns als Zuschauer plausible Beweggründe zu präsentieren.

In fast jeder Episode gibt es Szenen mit diversen Figuren-Konstellationen, die aber nichts zur Handlung beitragen und sie nicht voran bringen. Es macht manchmal den Eindruck, jeder hat mit jedem mal eine gemeinsame Szene oder Dialog, damit die Autoren irgendwie die Zeit rumkriegen und ihre Drehbuchseiten füllen können. Vielleicht wollen sie damit aber auch den Figuren mehr Tiefe verleihen - kommen aber über platte Absurditäten in den Dialog nicht hinaus. Oder sie lassen zwei Figuren einfach mal miteinander Sex haben, so wie im Falle von Jurati und Rios. Es gibt aber auch keine Figur, welche die "Handlung" in irgendeiner Form aktiv vorantreibt - auch Picard nicht, aber darauf gehen wir gleich im nächsten Kapitel ein.

Kommt hinzu, dass es unter allen Haupt- und Nebenfiguren keine Sympathieträger gibt oder jemand, mit dem man sich als Zuschauer identifizieren kann. Niemand ist auch nur ansatzweise sympathisch, alle wirken auf ihre Art kaputt und abgehalftert oder nervig. Was auch immer mit ihnen laut Drehbuch im Laufe der Episoden geschieht, es lässt uns als Zuschauer einfach kalt und gleichgültig.

Angesichts so einer Vorlage durch die Autoren können natürlich auch die Schauspieler nicht mehr viel herausholen. Zusammen mit uns Zuschauern sind die Hauptleidtragenden der schlechten Arbeit der Autoren und dem Wirrwarr von Nachdrehs und kurzfristigen Anpassungen von Drehbüchern. Trotzdem wirkt ihre Arbeit eher unterdurchschnittlich und wenig überzeugend.

Wer ist dieser "Picard"?

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Jetzt ist es höchste Zeit, Jean-Luc Picard beziehungsweise dem Gesichtsvermieter Sir Patrick Stewart ein paar Zeilen widmen. Abgesehen davon ist es eh ein Novum, dass eine Serie den Namen einer Person trägt und nicht den eines Raumschiffs oder einer Raumstation.

"Das ist nicht der Picard den Ihr kennt…" sind wir versucht zu sagen, denn die Figur von Jean-Luc Picard ist auch ein sehr gutes Beispiel für die oben angesprochenen Anpassungen im gesamten Narrative. Das i-Tüpfelchen ist da eigentlich das "JL" mit dem Raffi ihn ansprechen darf. Riker oder auch Beverly Crusher hätten sich sowas gar nicht erst getraut.

Im Gegensatz zu den Kinofilmen von J.J. Abrams und der Serie Discovery hat man die Rolle nicht neu besetzt und mit Patrick Stewart den Original-Schauspieler vor die Kamera gelockt. Trotzdem - oder gerade deswegen - erleben wir einen totalen Umbau der Figur von Jean-Luc Picard. Wir kennen zwar die genau Produktions-Geschichte der Serie nicht, aber Stewart war nur bereit, seine ikonische Rolle nochmal zu spielen, wenn man nicht zur humanistisch geprägten Welt von The Next Generation zurückkehren würde. Die neue Serie sollte sich klar von dem unterscheiden, was Star Trek-Fans bisher gewohnt waren. Auch sollte Picard laut Stewart keine Uniform mehr tragen müssen.

Genau genommen erleben wir somit in Star Trek: Picard die dritte Version von der Figur. Schon zu Zeiten von The Next Generation war es ein offenes Geheimnis, das Patrick Stewart vom reinen Diplomaten und "Kommandosessel-Täter" Picard nicht so begeistert war. Episoden wie Captain’s Holiday, Chain of Command oder Gambit sollten für ihn einen Ausgleich schaffen. In den Kino-Filmen wurde der gute Captain dann zum Action-Helden, der das Phaser-Gewehr gerne selber in Hand nahm.

In seiner eigenen Serie sind wie eingangs schon erwähnt, seit den Ereignissen aus dem Kinofilm Nemesis zwanzig Jahre vergangen. Picard hat Starfleet verlassen und sich auf das Weingut seiner Familie zurückgezogen. Er lebt dort zusammen mit seinem Hund "Number One" und zwei romulanischen Hausangestellten, die immerhin ehemalige Tal Shiar-Agenten sind.

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Und das nur schnell am Rande: Der Hund hat leider viel zu wenig Auftritte in der Serie, spielt er doch glatt den gesamten restlichen Cast locker an die Wand!

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One is never save from the past

Als Zuschauer werden wir bei Star Trek: Picard Zeuge von der systematischen Demontage von Jean-Luc Picard als Autoritäts- und Führungs-Persönlichkeit. Seit den Ereignisse von Nemesis sind 20 Jahre vergangen, Picard ist somit 94 Jahre alt und klar verändert sich ein Mensch mit dem Älterwerden. Trotzdem ist es unmöglich zu erkennen, dass dieser Mann vor 20 Jahren der Captain gewesen sein soll, den wir kannten. Es ist eigentlich kaum vorstellbar, dass Picard auf eine jahrzehntelange Karriere als Captain, Diplomat und Forscher zurückblicken kann. Er war der Captain der U.S.S. Enterprise, dem Flaggschiff der Föderation - nun muss man sich fragen, wie konnte er jemals überhaupt irgendein Raumschiff kommandieren?

Aber auch unabhängig vom Kommando-Sessel, in seiner eigenen Serie hat Picard auch sonst nicht die Führung inne. Er wirkt wie ein Nebendarsteller, er treibt die Handlung nicht aktiv voran. Auf der Brücke der "La Sirena" sitzt er am Rande. Klar, er ist nicht der Captain des Schiffes, aber es ist auch symptomatisch für seine Rolle in der Serie.

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Mit Star Trek: Picard scheint es jedoch die Mission der Autoren und auch von Patrick Stewart selbst gewesen zu sein, den Nimbus von Jean-Luc Picard, immerhin einem der "Götter" im gesamten Star Trek-Universum, zu zerstören. Er wird der totalen Lächerlichkeit preisgegeben. Er darf nicht in Würde altern wie es Clint Eastwood vor der Kamera tut. Nein, er ist hier ein alter und verbitterter Trottel, der in was hineinstolpert und um jeden Preis noch mal aus seinem Rentner-Dasein auf dem Weingut der Familie Picard ausbrechen will.

Als Fleet Admiral Clancy ihm in der zweiten Episode kein Kommando für ein Schiff geben will, reagiert er zuerst wie ein quengelndes Kleinkind, das die Welt nicht versteht. Es sollte doch jemandem wie Picard klar sein, dass es aus seiner Position heraus mehr als nur naiv ist, Starfleet nach einem Kommando über ein Raumschiff mit Crew zu fragen.

Dann lässt er sich von ihr buchstäblich zusammenscheissen wie ein kleiner Schuljunge, der nicht mal mehr daran denkt, aufzumucken. Das Admiral Clancy eine Frau ist, sollte in Star Trek eigentlich keine Rolle spielen - im Star Trek made by Kurtzman tut es das jedoch wieder: der alte Mann und Held vergangener Tage, der sich in der Welt der Gegenwart kaum noch zurecht findet, muss von einer Frau in die Schranken gewiesen werden, die sich ihm in allen Belangen überlegen fühlt. Wir hatten im Text bereits das Thema "woke" angesprochen - Admiral Clancy personifiziert geradezu das neue Konzept Hollywood’s für das Verhältnis der Geschlechter zueinander. Abgesehen davon ist es eh unlogisch, dass er sich überhaupt an Starfleet wendet, denn er hat sich schon vor langer Zeit nicht nur mit der Admiralität überworfen sondern auch mit der Institution Starfleet gebrochen, da sie nicht mehr seine Werte repräsentiert.

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Derartiges "Picard-Bashing" ist in der Serie absolut "in" und gehört schon fast zum guten Ton. Sogar seine romulanische Haushälterin kommandiert ihn zu Hause herum wie eine Oberschwester und befiehlt ihm sich die Hände zu waschen. Generell herrscht ein scharfer Umgangston im Hause Picard.

In einer Rückblende zu Beginn der dritten Episode sieht man wie er Starfleet als Druckmittel mit seinem Rücktritt gedroht hat und dann sehr erstaunt ist, als dieser auch akzeptiert wird. Picard hat hoch gepokert und verloren. Und generell fällt auf, dass immer wenn es brenzlig wird, Picard sich schnell aus dem Staub macht. Dabei hiess im Trailer zur Serie doch dick und fett "a hero never leaves a fight"!? Er steht auf, als das Interview mit dem Federation News Network in der ersten Episode für ihn unbequem wird. In der vierten Episode wirft er das Schwert hin, als es zu einer Auseinandersetzung mit den Romulanern kommt, weil er sie provoziert hat. In derselben Episode erfahren wir auch, dass er die Beziehung mit dem kleinen Elnor nach dessen Evakuierung abrupt abgebrochen hat. Und auch vorher hat Picard immer wieder persönliche Beziehungen und Freundschaften abrupt beendet. Das betrifft Raffi nach ihrer Entlassung aus Starfleet genauso wie Riker und Troi. Dieses Verhalten passt nicht zu Picard.

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In der fünften Episode erleben wir dann jedoch den absoluten Tiefpunkt - oder den Höhepunkt der Demontage. Um nicht erkannt zu werden, verkleidet er sich mit Augenklappe und Mütze als Pirat mit französischem Akzent. Abgesehen davon, dass sein Gesicht noch wenige Tage zuvor auf allen News-Kanälen der Föderation zu sehen war und die lächerliche Verkleidung sofort zu durchschauen ist, würde sich Picard niemals öffentlich so zum Gespött machen. Fehlt nur noch, dass er Phaser und Baguette miteinander verwechselt…

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Wie sehr seine Autorität und Glaubwürdigkeit gelitten haben, zeigt sich auch in den Szenen, wenn Picard seinem Gegenüber etwas versprechen will. Sätze wie "Ich verspreche es…" oder "Starfleet wird auf mich hören…" ernten von Romulanern oder den Synth und auch von uns Zuschauern nur Gelächter.

Finale Episode

Und auch für die finale Episode der ersten Staffel haben die Autoren für den guten Captain eine ganz besondere Wendung parat: Um Soji von ihrem Vorhaben anzubringen alles humanoide Leben in der Galaxie auszulöschen, bietet Picard ihr sein Leben an. Was das bringen soll, bleibt unklar. Es ist ein weiteres Beispiel für absurde Dialoge in der Serie. Natürlich kommt es nicht zum äussersten, aber wenige Minuten später stirbt Picard an der Krankheit, die ihn schon lange geschwächt hat. Was war also sein Angebot an Soji wirklich wert gewesen? Der dramatische Höhepunkt der Szene ist somit schon verpufft.

Aber es kommt noch schlimmer: Er bekommt einen neuen Synth-Körper, der zufälligerweise genauso aussieht wie Patrick Stewart, und kann weiterleben. Wirklich, wer denkt sich sowas aus? Waren die Borg-Implantate in The Best of Both Worlds nicht genug, muss es jetzt ein komplett künstlicher Körper für Picard sein?

I love you, Data

Immerhin haben die Autoren darauf verzichtet, den Androiden Data wieder auferstehen zu lassen und irgendeine absurde Wendung zu schreiben, um ihn zurückzubringen. Trotzdem ist Data wichtig für die Serie und ganz direkt auch für Picard. Vor der Kamera taucht er zwar nur in der ersten und in der letzten Episode auf, aber in Dialogen wird oft auf ihn Bezug genommen.

Die gemeinsamen Szenen von Picard und Data umspannen sozusagen die Serie. Die erste Episode beginnt damit, dass Picard von Data träumt, wie sie an Bord der Enterprise-D Poker spielen. In der nächsten Sequenz trifft Picard ihn dann in einem Weinberg und sieht wie er ein Bild malt. Zum Finale begegnen sie sich dann in einer "Quanten-Simulation" erneut.

Auch in den anderen Episoden, wenn es um die "Tochter" von Data geht oder Picard anderen von ihm erzählt, wirkt er extrem fixiert auf Data in seinen Erinnerungen. Das passt auch nicht zu den letzten Szenen in Nemesis als Data gestorben ist. Klar war Picard niedergeschlagen, aber als Captain hat er schon andere unter seinem Kommando verloren, mit denen er auch freundschaftlich verbunden war. Man denke da nur an Jack Crusher, den Ehemann von Beverly Crusher. Warum die Beziehung zwischen Picard und Data hier so völlig überhöht dargestellt wird, verstehen wir auch nicht.

Generell wird die Beziehung zwischen Picard und Data massiv überstrapaziert. Nicht nur dass das bisherige Narrative verdreht wurde, um eine Verbindung zwischen Picard, Data und der jungen Frau Dahj als dessen "Tochter" geschaffen wurde, um die weitere "Handlung" ins Rollen zu bringen. Auch das ständige "I love you"-Gerede zwischen Data und Picard geht einem ziemlich auf die Nerven und passt überhaupt nicht zu keiner der beiden Figuren.

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Die Szene in der letzten Episode der ersten Staffel ist an Absurdität kaum zu überbieten. Es ist auch kein Nachholen des Abschieds aus Nemesis, denn weder ist Data wirklich Data noch ist Picard noch Picard. Es ist das schlimmste, was diesen beiden beliebten Next Generation-Figuren je angetan wurde! Data soll seinem Wunsch ein Mensch zu werden, einen Schritt näher kommen, indem er erfährt, was es heisst zu sterben. Schreiben kann jemand so etwas nur, wenn er zutiefst Verachtung für Star Trek empfindet. Zudem sind der Wunsch abgeschaltet zu werden und auch die Umsetzung der Szene sehr stark an das Ende von Bicentennial Man mit Robin Williams angelehnt, wie Ihr im Video unten sehen könnt.

Verpasstes Karriere-Ende?

Aber auch als Schauspieler ist Stewart nicht mehr sehr überzeugend. Er kann beziehungsweise er konnte mal mehr. Die Frage muss man sich als Zuschauer schon stellen, ob er hier den alten Tattergreis, der sich auf ein Film-Set verirrt hat nur spielt, oder ob er es wirklich ist. Wie manche Spitzensportler oder andere Personen, die im Rampenlicht der Öffentlichkeit stehen, scheint er den Zeitpunkt eines würdevollen Rücktritts verpasst zu haben. Das hat auch etwas tragisches oder trauriges, vor allem wenn man bedenkt, dass Stewart neben seinen Verdiensten als Shakespeare-Darsteller mit Picard und Professor Xavier zwei ikonische Rollen der Pop-Kultur geprägt hat. Als der alte und kranke Charles Xavier in Logan war er grossartig, hier ist er nur ein Schatten seiner selbst.

Crew und Freunde

Zu jeder Star Trek-Serie oder Kinofilm gehörte nicht nur ein Captain, sondern auch eine Crew. In Discovery wurde zum ersten Mal stark von diesem Grundmuster abgewichen. In Picard hat Jean-Luc "JL" Picard keine Führungsrolle inne. Deshalb wäre zu erwarten gewesen, dass ihm die Autoren wenigstens eine starke Crew zur Seite gestellt haben, die ihn nach besten Wissen und Gewissen auf seiner Mission - welche das auch immer genau sein mag - zur Seite stehen und unterstützen.

Die Produzenten waren bemüht, keinem Schauspieler von The Next Generation eine grössere Rolle in der Serie zu geben. Die Rolle von Brent Spiner beschränkt sich auf Kurz-Auftritte in insgesamt drei Episoden. Jonathan Frakes und Marina Sirtis haben tragende Rollen in genau einer Episode. Frakes hat dann noch eine kurze Szene im Finale. Um Picard mit einer neuen Crew zu umgeben, haben die Autoren eine einfache Ausrede in einer Dialog-Szene parat: Picard will nicht seine alten Weggefährten um Unterstützung bitten, da er nicht möchte, dass sie sich aus Loyalität zu ihm in Gefahr begeben. Er geht also davon aus, dass diese immer noch bereit wären, ihm zu helfen, auch wenn er sie in den letzten Jahren im Stich gelassen oder den Kontakt vermieden hat.

Die ersten Episoden der Serie werden dann von den Autoren dazu benutzt, schrittweise die Hauptfiguren der Serie einzuführen. Dazu gehören Dr. Agnes Jurati, Raffi, Captain Rios, Elnor und Seven of Nine. Auf dem stillgelegten Borg-Schiff haben Soji, Narek und Narissa ihre Szenen, bevor sich ihre Wege zum ersten Mal mit Picard kreuzen.

Dahj / Soji

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Die Zwillinge Dahj und Soji sind der dramaturgische Dreh- und Angelpunkt der "Handlung" in Star Trek: Picard, denn um diese beiden Figuren herum haben die Autoren eigentlich die gesamte "Handlung" und einen Teil der Hintergrundgeschichte von Star Trek: Picard angelegt.

Daher ist es um so schlimmer, dass ihre Hintergrundgeschichte eine einzige Sammlung von Absurditäten ist. Wie absurd ihre Existenz als "Data’s Töchter" und generell als menschliche Androiden ist, haben wir schon ja schon erwähnt: Ihr positronisches Gehirn wurde aus einem einzigen Positron von Data erschaffen und sie sind erst drei Jahre alt. Zudem hat Data Bilder von ihnen mit dem Titel "Tochter" gemalt.

Alle Erinnerungen, die sie an frühere Jahren haben, sind nur implantiert. Gebaut wurden sie von Bruce Maddox, der eine Zeitlang mit Dr. Altan Inigo Soong zusammengearbeitet hat. Als Vorlage hat er die eben erwähnten gemalten Bilder verwendet. Die Zwillingsschwestern wurden von Maddox weggeschickt um herauszufinden, was wirklich hinter dem Angriff der Synth auf den Mars steckte.

Im Verlaufe der Serie erfahren wir von Captain Rios, dass es noch weitere Androiden gegeben hat, die so aussahen wie Dahj und Soji. Wir nehmen hier etwas von seiner Figuren-Beschreibung vorweg: Er erzählt von einem Ereignis, das sich neun Jahre zuvor auf der USS ibn Majid zugetragen hat, als er dort als erster Offizier gedient hatte. Dabei wurden zwei Androiden vom Captain getötet, weil er einem Befehl von Starfleet gehorchte. Darauf beginn der Captain dann Selbstmord und Rios vertuschte das Ganze.

Auf dem Heimatplaneten von Dahj und Soji tauchen später in der Serie noch weitere Modelle mit denselben Gesichtszügen auf. Sutra beherrscht sogar die Technik der vulkanischen Gedankenverschmelzung, was für sich genommen schon absurd ist.

Die Gesichtszüge der beiden Zwillingsschwestern sind also hinreichend bekannt, trotzdem ist es Dahj scheinbar ohne Probleme möglich gewesen, am Daystrom Institute einen Job zu bekommen. Dasselbe gilt für Soji, die als Wissenschaftlerin beim Borg Artifact Research Institute tätig ist. Wie sie dort eine Verschwörung innerhalb von Starfleet aufdecken soll, ist noch eine weitere Frage. Auf dem ausrangierten Borg-Cube versuchen aber auch romulanischen Agenten ihr Informationen über ihre Herkunft und ihren Heimatplaneten zu entlocken.

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Einerseits ist Soji die Gejagte vom Zhat Vash und will ihren Heimatplaneten vor der Zerstörung retten. Aber als sie dann endlich dort angekommen ist, will sie selber mithelfen, alles organische Leben in der Galaxie zu zerstören. Sie bedient sogar den Signalsender, um die fremden Wesen anzulocken und kurze Zeit später hilft sie dann mit, Picard in seinen neuen künstlichen Körper zu transferieren. An solchen Logik-Lücken merkt man, wie schlecht die Autoren gearbeitet haben und wie wenig sie auf Details geachtet haben.

Von Dahj erfahren wir eigentlich nicht viel, denn sie stirbt bereits in der ersten Episode. Aber es ist sozusagen ihre Funktion, die ganze "Handlung" loszutreten, in dem sie eines Tages auf dem Weingut von Picard auftaucht und ihn um Hilfe bittet.

Eine weitere Funktion von Dahj und Soji in der Serie ist es, in verschiedenen Szenen mit ihrem Freund beziehungsweise mit Narek etwas nackte Haut zu zeigen, was Star Trek: Picard temporär auf das Niveau einer Teen-Serie herunterzieht - oder hochhebt, je nachdem wie man es betrachten will.

Dr. Agnes Jurati

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Ein Wissenschaftler oder eine Wissenschaftlerin, auch wenn wir uns mit Star Trek: Picard mehr im Fantasy-Bereich als in der Science-Fiction bewegen, hat immer ihren festen Platz im Team gehabt. Dr. Agnes Jurati ist angeblich die Kapazität im Bereich der Kybernetik, was angesichts des Themas mit den Synth und konkret mit Soji eigentlich auch Sinn macht.

Doch das meiste ihrer wissenschaftliche Tätigkeit lassen die Autoren Dr. Jurati ausserhalb der Kamera erledigen. Sie ist die nervigste Figur überhaupt und verbringt gefühlt die ersten Episoden damit zu staunen wie gross der Weltraum denn sei. Es ist schon sehr unglaubwürdig, dass sie als renommierte Wissenschaftlerin beispielsweise noch nie an einer Fach-Konferenz auf einem anderen Planeten gewesen sein soll.

Punkto Nervigkeits-Level kann sie es gut mit Tilly aus Discovery aufnehmen, wo die Autoren wohl auch einen Grossteil der unglaubwürdigen Figurenzeichnung abgeschaut haben. Sonst produziert sich primär als Heulsuse, Mörderin und darf in mehreren Szene Schaum, Blut oder sonst was aus ihrem Mund herausspucken oder quillen lassen.

Unglaubwürdig ist auch ihre Funktion als Saboteurin: auch wenn sie ihr Leben der Kybernetik gewidmet hat, reicht offenbar eine erzwungene Gedankenverschmelzung von Commodore Oh, um sie davon zu überzeugen, dass Synths böse sind.

Raffi Musiker

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Im Gegensatz zu Jurati ist Raffi viel schwerer fassbar, weil sie keine eindeutige Funktion in der Truppe von Picard hat. Die Autoren haben sie als eine Art "Mädchen-für-alles" geschrieben. Picard wendet sich in der zweiten Episode an sie, weil er ein eigenes Schiff braucht und sie über entsprechende Kontakte verfügt. Durch diese kommt er dann mit Captain Rios in Verbindung, der die La Sirena kommandiert. Später benutzt sie dann ihre alten Starfleet-Kontakte, um ihm Zutritt zum stillgelegten Borg-Schiff zu verschaffen.

Raffi ist eine sehr quirlige Person und ständig auf Zack. Aber die Autoren haben in ihre Figur auch so ziemlich alles negative reingepackt, was ihnen in den Sinn gekommen ist: Im Zuge der gescheiterten Evakuierung von Romulus ist sie von Starfleet entlassen worden und hat sich mit Picard ziemlich unmotiviert überworfen: Zuerst versucht sie Picard voller Elan nach der Absage von Starfleet zum weitermachen zu motivieren. Als ihr klar wird, dass sie aus dem Dienst entlassen wird, macht sie eine komplette Kehrwendung und schiebt Picard dafür die Schuld zu. Es wäre für Starfleet nicht zwingend notwendig gewesen, sie vor die Tür zu stellen, als Offizier hätte man sie einfach auf einen anderen Posten versetzen können, wie es innerhalb von militärischen Organisationen eigentlich üblich sein sollte.

Sie ist dann Drogen wie Alkohol und dem Rauchen von psychedelischen Substanzen verfallen, hängt Verschwörungstheorien nach und sie hat sich mit ihrem Sohn und ihrer ganzen Familie zerstritten. Daraus erklären sich auch ihre Wut und ihr Misstrauen gegen "JL", als sie zum ersten Mal nach langer Zeit wieder aufeinandertreffen. Auch mit ihr hatte Picard in den vergangenen 14 Jahren nie Kontakt gesucht, obwohl es ihr sehr schlecht ging.

Wie es die "Handlung" halt erfordert, begleitet sie Picard anfänglich auf seiner Reise, um ihren Sohn auf dem Planeten Freecloud zu besuchen. Sie ist dann aber auch in den folgenden Episoden immer mit dabei ohne das es dafür eine plausiblen Grund gibt. Die Autoren verwenden viel Zeit dafür ihre Vergangenheit mit ihrem Sohn aufzuarbeiten, was jedoch weder die Figur Raffi sympathischer macht noch irgendeinen Einfluss auf den Rest der Handlung hat. An Bord der La Sirena hat sie keine klare Aufgabe, mal füllt sie Funktionen aus, die man sonst als Conn oder Tactical bezeichnen würde, mal macht sie auf Counselor und redet mit Jurati oder Rios. Am Schluss darf sie dann auch noch die LGBT-Zielgruppe bedienen, indem sie mit Seven Händchen hält.

Elnor

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Wenn es so etwas wie den "Kurtzman Award" für absurdeste Serien-Figuren gäbe, wäre Elnor sicher ein heisser Anwärter auf die Trophäe. Seine Hintergrundgeschichte haben die Autoren eng mit derjenigen der Serie verwoben. Er wurde als kleiner Junge durch Picard von Romulus evakuiert und in der Folge auf dem Planeten Vashti von den Nonnen des Qowat Milat grossgezogen und im Way of Absolute Candor unterrichtet und zum Krieger ausgebildet. Diese Philosophie bringt ihn dazu, immer zwingend die Wahrheit zu sagen. In der Serie ist das für die Autoren ein Mittel, ab und zu eine Situation mit etwas Humor - oder was die Autoren dafür halten - aufzulockern.

Hier sind gleich zwei Elemente aus der Absurditäten-Küche von Kurtzman verpackt: Die Qowat Milat sind ein Orden von romulanischen Krieger-Nonnen, bei denen sich jedes Mitglied in den Dienst einer bestimmten Person stellen kann, die für ein Anliegen kämpft. Diesen Kodex kennt man auch von der Figur Samara aus Mass Effect. Elnor stellt sich in den Dienst von Picard, nur um den wenige Episode später dieses Versprechen zu brechen. Die Vegetation auf dem Planeten scheint zudem extrem grosse Bäume hervorzubringen, die doch glatt beim "Hometree" aus Avatar geklaut sind.

In der Serie wird eine ganze Episode dafür aufgewendet, um seine Figur einzuführen und seine Vergangenheit mit Picard zu erzählen, der den Jungen während der Evakuation mehrmals besucht und dann irgendwann im Stich gelassen hat. Eine Verhaltensmuster, was für Picard scheinbar üblich geworden ist. Mehr als in dieser Episode gesagt wird, erfahren wir über Elnor nicht.

Schlussendlich dient sie aber eher dazu, mehr über die Vergangenheit von Picard zu erzählen. Die "Handlung" wird in dieser Episode so gut wie gar nicht vorwärtsgebracht und Elnor schliesst sich Picard und seiner Mission an. Ganz getreu nach dem bewährten und oft kopierten Handlungs-Modell eine Gruppe von Figuren Schritt für Schritt zusammenzustellen - die Blues Brothers mit "putting the band back together" lassen grüssen.

Elnor darf dann in dieser und in den folgenden Episoden ein paar Schwertkämpfe austragen und dabei ein paar Köpfe abschneiden und ein paar dumme Sprüche machen - mehr hat seine Figur allerdings im Rest der Serie nicht mehr zu tun.

Was ein japanisches Samurai-Schwert gegen Energiewaffen wie Phaser und Disruptoren ausrichten soll, ist dabei noch eine ganz andere Frage. Elnor ist ein gutes Beispiel, wie die Autoren viel Zeit investieren um eine Figur einzuführen, nur um sie dann zur Randfigur werden zu lassen, wenn sie ihre Funktion erfüllt hat. Schlussendlich ist er für die Autoren nur ein Mittel zum Zweck, um mehr über Picard’s Vergangenheit zu erzählen. Im Rest der Serie hat er nur wenige Szenen, er ist eine absolut überflüssige Figur, die nichts zur Handlung beiträgt.

Bei uns hat Elnor schnell den Spitznamen "Elfe" bekommen, im Fandom wird er auch oft "Legolas" genannt, weil sein ganzes Aussehen und Auftreten sehr stark an den Elfen Logolas aus den Lord of the Rings-Filmen angelehnt ist.

Cristóbal Rios

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Wenn man Rios mit den anderen männlichen Figuren wie Picard, Elnor oder Narek vergleicht, scheint er die Absicht der Autoren zu verkörpern, wenigstens einen "richtigen Mann" im Hauptcast zu haben.

Und dabei erfüllt er dann auch gleich so ziemlich alle Klischees: Er raucht, trinkt, hat eine schwere Vergangenheit, hat Sex, er kommandiert ein Raumschiff, spielt Fussball und sieht es eher locker mit den Gesetzen im Weltraum. Er ist wie Picard und Raffi ein ehemaliger Starfleet-Offizier. Sechs Monate nach dem oben geschilderten Vorfall an Bord der USS ibn Majid war er aus dem Dienst entlassen worden. Das Vorbild in den Köpfen der Autoren war natürlich Han Solo aus Star Wars, sozusagen dem Urtyp aller Space-Piraten und Schmuggler.

Doch auch Rios, und sein Schiff La Sirena, haben ihre Eigenheiten. Die Crew besteht ausschliesslich aus Holo-Charakteren, die alle aussehen wie Rios, aber mit unterschiedliche Persönlichkeiten programmiert sind. Sie dienen den Autoren primär dazu, etwas Humor in die Szenen einzubauen.

Seven of Nine

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Die ehemalige Borg-Drohne gehört ebenfalls zur Garde der alten Star Trek-Figuren, die nicht einfach nur recycelt wurden sondern von den Autoren auch gleich viele neue charakterliche Eigenschaften verpasst bekommen haben. Dies wie bei Star Trek: Picard üblich ohne Rücksicht darauf, ob es zu der Figur passt oder nicht. Jeri Ryan kehrt als Darstellerin in ihre Rolle aus Star Trek: Voyager zurück. Ihr Make-Up als ehemalige Borg ist jedoch deutlich schlechter geworden.

Ihren ersten grossen Auftritt Seven of Nine in der fünften Episode, die nebenbei bemerkt extrem stark an Mass Effect 2 erinnert. Die Bar, in der die meisten Szenen spielen, ist überdeutlich ans "Afterlife" auf der Raumstation "Omega" angelehnt, die dort von einer Figur namens Aria geführt wird.

Aber bleiben wir zuerst bei Seven. Sie ist nicht mehr diejenige, die wir aus Voyager kennen, sondern von den Autoren in eine zynische, Alkohol-trinkende und desillusionierte Vigilante-Kämpferin "umgebaut" worden - die "Ranger" aus Babylon 5 lassen grüssen. Nur waren diese nicht alkoholsüchtig und auf Rache aus.

Auch Killerin haben ihr die Autoren neu ins Profil geschrieben. In der Episode "Stardust City Rag" tötet sie eiskalt ihre Widersacherin Bjayzl, die wie ein Verschnitt von Aria aus Mass Effect rüberkommt. Zudem darf sie im Rückblick zu Beginn der Episode den armen Icheb aus seinen Qualen erlösen. Es ist übrigens nicht mehr derselbe Darsteller wie in Voyager, daher bleibt für den Zuschauer der Wiedererkennungswert sehr beschränkt. So stellen sich offenbar die Autoren starke Frauen im 24. Jahrhundert vor, wobei beide Aktionen wiederum nur kurze Schockmomente für den Zuschauer sind. Diese entpuppen sich von Episode zu Episode immer deutlicher zu einem Stilmittel der Autoren. In diese Liga der dramaturgischen Kunstgriffe muss man wohl auch den Moment abbuchen, wo Seven kurz in die Position der Borg-Queen schlüpft. Auch dieser jagt einem als Zuschauer keinen Schauer über den Rücken, da er einfach nur schlecht umgesetzt ist.

Das Seven auch beim beliebten "Picard-Bashing" mitmacht, sollte Zuschauer die es bis zur fünften Episode geschafft haben, auch nicht mehr allzu überraschen. Sie attackiert Picard mit deutlichen Worten, weil sie sich und ihre Leute von Starfleet im Stich gelassen sieht. Auch in dieser Szene zeigt sich wieder die grosse Naivität von Picard.

Ausser in der fünften Episode, als sie hilft den gefangen gehaltenen Bruce Maddox zu befreien, haben die Autoren im Rest der Serie keine grosse Verwendung für sie. Sie trägt nichts dazu bei, dass die "Handlung" vorwärts geht, sie ist eigentlich nur ein besseres Requisit, das zur Ausstattung gehört.

Narissa und Narek

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Das romulanische Geschwisterpaar Narissa und Narek sind eigentlich sehr wichtig für die Serie, weil sie die Antagonisten sind. Beide arbeiten für den romulanischen Geheimdienst Tal Shiar. Trotzdem erleben wir mit ihnen einen weiteren Fall von schlechter Figurenzeichnung, denn beide bleiben platt und eindimensional. Wenn man Narek zum ersten Mal in der Serie sieht, kommt einem als Zuschauer sofort Spock aus Star Trek: Discovery in den Sinn, weil er rein äusserlich mit Frisur und Bart wie ein "Klon" aussieht.

Zwischen den beiden sind die Rollen klar verteilt, Narek ist der Schosshund von Narissa, das Verhältnis der beiden hat immer einen Unterton von Sex und Inzest. So kann Narissa ihren Bruder nach belieben kontrollieren, denn er ist auf Soji angesetzt, um mehr über sie und die Koordinaten ihres Heimatplaneten herauszufinden. Dazu hat er auch Sex mit ihr, was den Regisseuren die Möglichkeit geboten hat, ein paar Szenen mit Unterwäsche-Sex und Getanze in den Korridoren des Borg-Schiffes einzubauen. Teeny-Serien wie Beverly Hills, 90210 lassen grüssen… Als Höhepunkt versucht es Narek, Soji mit einem romulanischen Ritual die Erinnerung an ihren Heimatplaneten zu entlocken. Es gelingt ihm zwar, einen Hinweis zu bekommen, aber als er sie anschliessend töten will, entkommt sie und läuft - was für ein Zufall - Picard über den Weg, der sich auch gerade auf dem Borg-Schiff aufhält.

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Die beiden Geschwister sind aber wie schon erwähnt nicht einfach Mitglieder des romulanischen Geheimdienst. Nein, die Autoren führen in Star Trek: Picard auch für die Romulaner eine neue Absurdität ein: Der Zhat Vash ist eine uralte Geheimorganisation innerhalb einer Geheimorganisation, von der man bisher in allen Star Trek-Geschichten noch nie was gehört hat. Der Zhat Vash ist getrieben vom Hass auf künstliche Lebensformen und dementsprechend ist es das Ziel der Mitglieder, alle künstlichen Lebensformen ausfindig zu machen und zu zerstören.

In Verbindung mit Narissa lernen wir auch Commodore Oh kennen, die ebenfalls eine romulanische Doppelagentin innerhalb von Starfleet ist. Was nebenbei bemerkt, generell die Frage nach dem Zustand von Starfleet aufwirft: von den wenigen aktiven Offizieren, die in der Serie überhaupt vorkommen, sind zwei Doppelagenten.

Narissa ist auch für den Tod von Hugh verantwortlich, den wir schon bei The Next Generation in der Episode "I, Borg" kennengelernt hatten. Aber wie schon der Tod von Icheb, den wir im Kapitel über Seven of Nine erwähnt hatten, löst auch dieser Moment keine Emotionen beim Zuschauer aus. Das liegt daran, dass in den Szenen vorher nie eine Beziehung zum Zuschauer aufgebaut wird, weil man die beiden auch nicht wirklich als Hugh aus The Next Generation oder Icheb aus Voyager wahrnimmt, sondern einfach als Requisiten. Logischerweise berührt es einen dann als Zuschauer auch nicht, wenn sie sterben. Das traurige ist, da werden sympathische Figuren für nichts anderes als einen billigen Story-Effekt getötet, das ist nicht nur sinnlos, sondern von den Autoren auch respektlos.

The Riker Family

Die beiden The Next Generation-Urgesteine Jonathan Frakes als William Riker und Marina Sirtis als Counselor Deanna Troi liessen sich von den Produzenten vor den Karren spannen um die neue Serie entsprechend zu vermarkten. Frakes übernahm zudem bei zwei Episoden die Regie.

Der eigentliche Auftritt von Troi und Riker fand erst in der siebten Episode statt und blieb eine in sich isolierte kleine Geschichte. Auf eine verstörende Art unvergesslich ist die Begrüssung von Picard durch Troi: mit weit ausgestreckten Armen umarmt sie ihn als hätte sie es nie anders getan und heisst ihn in der Sicherheit des idyllischen Heims der Familie Riker willkommen.

Szenen mit Sirtis und Frakes wurden aber schon in den Trailern verwendet, was den Zuschauern zum Start die freudige Erwartungshaltung "ah, endlich wieder Star Trek" vermitteln sollte. Doch die Zuschauer wurden damit eiskalt in die Irre geführt. Erstens sind wir - wie wir schon im ganzen Artikel ausführlich darlegen - weder bei The Next Generation noch überhaupt irgendwo bei Star Trek. Und zweitens hat das Wiedersehen zwischen Picard, Riker und Troi kaum Auswirkungen auf die drei restlichen Episoden der Serie.

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Trotzdem verbringen Picard und Soji die gesamte Episode im trauten Heim der Familie Riker. Sie sind vom Borg-Schiff direkt auf den Planeten Nepenthe geflüchtet, und haben dabei als Transporter den Trajector vom Volk der Sikarians verwendet, den man schon in Star Trek: Voyager gesehen hatte. Dies soll wohl ein kleines Versatzstück sein, mit dem die Autoren mal wieder ihre "Verbundenheit" zu älteren Star Trek-Serien signalisieren wollen. Und es ist zugleich eine billige "deus ex machina"-Lösung um Picard und Soji ohne komplizierte Drehbuch-Handlung vom Borg-Schiff weg auf den weit entfernten Planeten zu bekommen.

Die "Handlung" der Serie, die sowieso nur im Schneckentempo vorwärts geht, wird mit einem weiteren Nebenschauplatz, der für eine Episode zur Hauptsache wird, komplett ausgebremst.

Troi und Riker merken zwar, dass Picard mit seiner "Mission" ziemlich überfordert ist: "What have you gotten yourself into, Jean-Luc?" wird er gefragt, worauf Picard nur sehr hilflos reagieren kann. Ihre Hilfsangebote wie "pretend that our dinnertable is the ready-room of the Enterprise… we will find a way forward" tönen zwar gut, werden dann aber von den Autoren doch nicht weiterverfolgt. Dafür sehen wir Riker beim Pizza backen und erfahren mit Warp-Geschwindigkeit, wie es den beiden beliebten Star Trek"-Figuren in den vergangenen 20 Jahren ergangen ist. Aber wenn man bedenkt, dass das ganze Franchise aktuell komplett umgeschrieben wird, hat das auch einen bitteren Beigeschmack. Klar ist auf jeden Fall, dass Deanna und Will es auch nicht leicht gehabt haben. Sie haben ihre Starfleet-Karrieren aufgegeben und sind auf den Planeten Nepenthe gezogen, in der Hoffnung die besonderen Kräfte des Planeten könnten ihrem kranken Sohn helfen, was sich jedoch nicht erfüllt hat. Denn eigentlich hätte eine aktive positronische Matrix ihren Sohn retten können, nur war eine solche wegen dem Bann aller Synth nach dem Angriff auf den Mars nicht mehr verfügbar. Aus diesem Umstand erklärt sich auch, warum Troi auf Soji nicht gerade gut zu sprechen ist. Sie repräsentiert genau das, was ihren Sohn hätte retten können.

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Ihr zweites Kind, die Tochter Kestra, die nach der verstorbenen Schwester von Deanna benannt ist, findet jedoch ohne Umschweife einen direkten Draht zu Soji, was den Autoren die Gelegenheit für ein paar "Coming of age"-Szenen mit den beiden Figuren gibt. Kestra bestärkt Soji darin, Vertrauen zu Picard zu haben und liefert zudem einen Hinweis auf die Position von Soji’s Heimatplaneten. Und auch ihre Mutter Deanna hilft ihr, die vielen negativen Erfahrungen zu überwinden und sich auf Picard’s Hilfeangebot einzulassen.

Auch das Verhältnis zwischen Riker und Picard wird in dieser Episode neu definiert. Mit Vorwürfen wie Picard sei schon immer arrogant und selbstverliebt gewesen, beteiligt auch er sich am "Picard-Bashing". Das ist allerdings mehr als nur befremdlich, denn in sieben Jahren The Next Generation und vier Kinofilmen wurden von den Autoren nie Hinweise gestreut, dass Riker so über seinen Captain denken würde. Im Gegenteil, ihre Beziehung war immer von gegenseitigem Respekt geprägt. Das hat man auch deutlich in ihrer Abschiedsszene in Nemesis gemerkt. "It was an honour serving with you," sagt Riker dort zu ihm. Und so wie die Szene gespielt ist, handelt es dabei nicht nur um reine Höflichkeits-Floskel, welche die beiden austauschen. Die spätere Szene mit den beiden auf dem Holzsteg am See erweckt dann allerdings eher den Eindruck, hier treffen sich nicht Picard und Riker, sondern die guten Freunde Patrick Stewart und Jonathan Frakes.

Riker sehen wir dann drei Episoden später nochmals. Er kommandiert das Flaggschiff der Flotte, welche von Starfleet zu Soji’s Heimatplaneten geschickt wurde. Es ist die USS Zheng He, benannt nach einem chinesischen Admiral aus der Ming-Dynastie. Es wirkt schon etwas unglaubwürdig, wenn der Reservist Riker nach 14 Jahren sofort das Kommando über eine ganze Flotte von Schiffen bekommt. Sehr wahrscheinlich ging es den Autoren einfach wie so oft in der Serie um den dramaturgischen Effekt, Riker im Kommandosessel zu zeigen - ungeachtet dessen, wie plausibel das überhaupt ist.

F*** you!

Bei unserer Besprechung der einzelnen Figuren haben wir zwei Aspekte ausgelassen, auf die wir in diesem Kapitel näher eingehen wollen. Passend zu dem dystopischen Setting, stösst Star Trek: Picard auch bezüglich Sprache und Gewalt auf einen Level vor, wo noch keine Star Trek-Serie zuvor gewesen ist.

Abgesehen von leichten Akzenten wie etwa bei Scotty, Pavel Chekov oder Miles O’Brien - bei denen es einfach zur Figur gehörte, waren Star Trek-Serien sonst immer Dialekt- und Akzentfrei. Der Wortschatz war, abgesehen von Techno-Babble, eigentlich immer recht einfach gehalten. Fluch- und Schimpfwörter hörte man höchst selten, aber da ging es Star Trek schlussendlich nicht anders, als anderen Serien auch. Zensur und Bestimmungen zur Altersfreigabe legten fest, was vor der Kamera gesagt werden durfte. Dasselbe galt auch für die Darstellung von Gewalt-Szenen. So gesehen ist jede Film- oder Serienproduktion auch immer ein Kind ihrer Zeit.

Seit Enterprise im Jahre 2005 im Fernsehen zu Ende ging, haben Serien wie CSI (ab 2000), 24 (ab 2001), Rome (ab 2005), Spartacus (ab 2010), Game of Thrones (ab 2011) und Hannibal (ab 2013) die Grenzen von Gewaltdarstellungen verschoben. Zudem darf seit 2010 im amerikanischen Fernsehen auch wieder "fuck" gesagt werden. So gesehen ist Star Trek: Picard nur den generellen Zeitgeist mitgegangen.

Was jedoch für eine Crime- oder Fantasy-Serie oder einen Actionfilm passen mag, ist aus unserer Sicht in Star Trek jedoch komplett fehl am Platz. Eine fluchende Admiral Clancy, die einfach so "fuck" sagt, wirkt einfach deplatziert. Bei anderen Figuren in der Serie macht es den Eindruck, eine derartige Sprache passt nicht wirklich zur Figur und die Autoren hätten die Drehbuchzeilen nur so geschrieben um einen billigen "Schockeffekt" beim Zuschauer auszulösen. Auch Riker darf in der letzten Episode mal derb daherreden, als er zur romulanischen Kommandantin sagt: "and nothing would make me happier than you giving me an excuse to kick your treacherous Tal Shiar ass." Die Sprache zeigt auch die Geisteshaltung der Autoren und wie sie ihre Prioritäten setzen. So fragt Narissa ihren Bruder in einer Szene als er aus der Gefangenschaft bei den Synth entkommen ist und sie wieder aufeinander treffen: "Have you fucked any of them?"

Aber nicht nur bezüglich der Sprache und dem häufig sehr scharfen Umgangston ist die Serie keine Familienunterhaltung mehr. Die Grundstimmung der Serie ist deprimierend und plakative Gewaltdarstellungen wie Säure-Attacken mit Spucke, rausgerissene Augen und abgeschlagene Köpfen sind definitiv kein Star Trek.

Ausstattung

"Sparen, sparen, sparen…" war aber nicht nur das Motto der Produzenten bei der Entwicklung der "Handlung" und der Drehbücher, sondern auch wenn es um Sets und Drehorte ging.

Dasselbe gilt zudem für die visuell belanglose Haupttitel-Sequenz mit der jede Episode eröffnet wird. Das Theme und auch die Musik zur Untermalung der einzelnen Episoden kann man nur als generischen Soundteppich bezeichnen. Vorbei sind die Zeiten, als jede einzelne Episode mit einem passenden Klangteppich unterlegt wurde und dramatische Höhepunkte durch die Musik geschickt verstärkt wurden. Und wenn bei Picard ab und zu die bekannten Star Trek-Themes aus The Next Generation und Voyager anklingen, wirkt es eher gruselig und unpassend und löst bei uns Wut aus, weil sich die Produzenten damit bei etwas bedienen, was ihnen nicht zusteht. Die Klänge haben für uns eine positive Assoziation, bei Picard sind sie total deplatziert.

Die billige Ausstattung ist ein Spiegelbild der schlechten Autorenarbeit. Nachdem Patrick Stewart angeblich 700’000 Dollar pro Episode kassiert hat, war wohl nicht mehr viel Geld in der Kasse für den Rest.

Man mag jetzt Star Wars gut oder schlecht finden, aber was man anerkennen muss, ist die Ausstattung: egal ob es der erste Kinofilm aus dem Jahre 1977 ist oder einer der Disney-Trilogie, alle Filmen haben grundsätzlich denselben Look, man erkennt sozusagen das Franchise auf einen Blick, auch wenn C3PO oder Darth Vader nicht im Bild sind. Bei Star Trek hat man diesen einheitliche Look über die Jahrzehnte der verschiedenen Serien- und Kino-Produktionen nie hinbekommen, aber das ist jetzt gar nicht so das eigentliche Thema: die Drehorte, die man bei Star Trek: Picard für das Starfleet-Hauptquartier oder das Daystrom Institute ausgewählt hat, vermitteln keineswegs das Aussehen des 24. Jahrhunderts oder spiegeln den Look wieder, wie er in früheren Star Trek-Produktionen dafür etabliert wurde.

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Beide sehen von innen aus wie moderne Büro-Komplexe, wie sie auch aktuell in einer Stadt auf der Erde stehen könnte. Aus produktionstechnischer Sicht wirkt das einfach nur billig und peinlich.

Die holographischen Bedienungs-Elemente, wie man sie zum Beispiel an Bord der La Sirena in Aktion sieht, wirken hingegen wieder passend für das Setting im 24. Jahrhundert. Dummerweise hat es aber beim Schiff selbst dann auch nicht für ein eigenständiges Design gereicht.

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Die Kommandobrücke der La Sirena ist schlichtweg bei der Rocinante aus der Serie The Expanse abgekupfert.

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Das gilt insbesondere für den mehrstöckigen Aufbau, denn man aber bei gewissen Set-Designs von Discovery schon gesehen hat. Das Äussere der La Sirena erinnert hingegen sehr deutlich an den Schiffstyp "Drake" aus dem EVE Online-Universum.

Quelle: IMDB
Quelle: EVE Online

Auch bei den anderen Details stimmt es nicht: ein 3D-Drucker als Replikator wirkt zwar auf den ersten Blick als lustige Idee, ist dann aber von der Ausstattung her eher auf dem Niveau einer billigen Parodie anzusiedeln. Generell scheint man sich von dem Konzept eines Replikators für die Essensausgabe verabschiedet zu haben. Oder wieso reklamieren die Arbeiter auf den Utopia Planitia Shipyards das Essen sei schlecht, wenn doch jeder das aus dem Replikator bekommen kann, was ihm schmeckt? Und auch bei der Gestaltung der Innenräume des Borg-Kubus ist man einen eigenwilligen Weg gegangen. Die Architektur passt überhaupt nicht zu den Borg, sie sieht nach einem generischen Sci-Fi Design aus. Zudem sehen die Sets billig aus.

Und auch die Kabine von Picard an Bord der La Sirena ist eine einzige Aktion zum Geldsparen. Damit sich Picard an Bord wohler fühlt, hat man für ihn auf dem Holodeck einer der Innenräume seines Wohnhauses auf der Erde repliziert - so wird es zumindest in einer Dialogzeile erklärt. Es ist natürlich dasselbe Set und dient einzig und allein dazu, die Kosten der Produktion niedrig zu halten. Auch die Abschlussszene zwischen Data und Picard ist in den Chateau-Sets gedreht worden, Licht und Farben wurden einfach entsprechend angepasst.

Auch in der letzten Episode haben es die Autoren so geschrieben, dass sie uns eine grosse Weltraumschlacht vorenthalten können. Es gibt zwar ein wirres "CGI-Gewitter" mit den Romulanern, den Space-Blumen und der La Sirena bei dem man kaum etwas richtig erkennt. Aber als dann die Flotten von Starfleet und den Romulaner sich gegenüber stehen, kommt es nicht zum Kampf. Das peinliche ist aber auch, dass die Starfleet-Schiffe alle mehr oder weniger gleich aussehen - wenn man an Deep Space Nine oder First Contact denkt, waren die Armadas immer eine bunte Mischung verschiedener Schiffstypen. Wo die Flotte gebaut wurde, wird Starfleet’s Geheimnis bleiben - da der Mars ja immer noch in Flammen steht, muss es also noch andere grosse Produktions-Kapazitäten geben. Das steht jedoch ziemlich im Widerspruch dazu, dass sich Starfleet nie von dem Angriff erholt hat.

Wie schon erwähnt, hat Jonathan Frakes im Finale einen Auftritt als Captain, der aus dem Ruhestand zurückgekommen ist. Wie man an den Armlehnen seines Kommando-Sessels und an den Panels dahinter unschwer erkennen kann, wurden seine Szenen auf dem Brückenset der U.S.S. Discovery gedreht. Auf der Zeitlinie liegen die beiden Serien rund 140 Jahre auseinander, man sollte also erwarten, dass sich in dieser Zeit das Brückendesign bei Starfleet auch weiterentwickelt hat, alles andere wäre unglaubwürdig. Aber auch hier ging es nur ums Geld sparen, ein eigenes Set für die kurze Szene wäre wohl zu teuer gewesen.

Quelle: IMDB

Uniformen spielen in der Serie nur eine untergeordnete Rolle, da wir es bei Star Trek: Picard nicht mit einer Starfleet-Crew zu tun haben. Die Uniformen, die man in der Rückblende mit Raffi und Picard sieht und auch die aktuellen, wirken gegenüber den Uniformen, wie man sie zuletzt in Nemesis gesehen hat, wie ein design-technischer Rückschritt. Als neuer Communicator wird mehr oder weniger das Design aus der The Next Generation-Episode All Good Things… verwendet.

Aber der Gipfel der Frechheit ist wohl der Wohnort, den die Produzenten für Raffi auf der Erde ausgesucht haben. Bei den Vasquez Rocks aka als "Gorn Felsen" in der Nähe von Los Angeles wurden schon Dutzende von Kinofilme und TV-Serien gedreht, auch mehrere Star Trek-Serien haben die eindrücklichen Felsformationen schon als Kulisse genutzt.

Quelle: Amazon Prime Video

Nun wohnt Raffi dort in einer Hütte, als Picard nach 14 Jahren zum ersten Mal wieder mit ihr Kontakt aufnimmt. Das Hinterland von Los Angeles bietet genügend Hügel und Felsen, es wäre nicht nötig gewesen, diesen schon beinahe "heiligen Boden" zu verschandeln.

What Picard leaves behind

Um es mal aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten: Eigentlich handelt es sich bei Star Trek: Picard um einen klassischen Fall von Produktfälschung. Auch wenn im Titel-Vorspann die Worte "Star Trek" eingeblendet werden, ist das ganze wohl eher ein Tatbestand im Sinne der 239. Ferengi-Erwerbsregel: "Never be afraid to mislabel a product."

Bis zu diesem Punkt haben wir rund 12’000 Wörter gebraucht um zu sagen, dass die Serie kein Star Trek und erbärmlich schlecht umgesetzt ist und voller Logiklücken und Absurditäten steckt. Die Figur Jean-Luc Picard wurde der totalen Lächerlichkeit preisgegeben. Keine Szene und kein Dialog wecken beim Zuschauer Interesse oder Empathie - die einzigen Emotionen, die geweckt werden, sind "würg, das ist kein Star Trek, oh fuck ist das absurd und schlecht! Was passiert da gerade, wieso ist aus dem Held meiner Jugend ein unbeholfener Trottel geworden?” Das dürften allerdings kaum die Reaktionen sein, die man sich als Macher wünscht - es sei den, es ist von den Autoren als Provokation gedacht, wie es Michael Chabon in einem Interview auch zugegeben hat. Wir werden im übernächsten Kapitel nochmals darauf zurückkommen.

Aber wir waren ja sozusagen vorgewarnt: Star Trek: Picard kommt aus der Küche von Alex Kurtzman, der uns schon Star Trek: Discovery eingebrockt und an zwei der ingesamt drei "Reboot-Filmen" von J.J. Abrams mitgewirkt hat.

Natürlich könnt Ihr uns als Leser die Gegenfrage stellen, warum wir die Serie überhaupt bis zum Ende geschaut haben? - Bei anderen Serien oder Filmen haben wir kein Problem damit, nach 10-20 Minuten abzuschalten, wenn es uns nicht zusagt. Aber mit Star Trek ist es wie mit einem Familienmitglied. Wir haben viel gemeinsam erlebt, es hat einen begleitet und getröstet, wenn man traurig war. Es fällt einem schwer sich abzuwenden, wenn man sieht, wie es dem Familienmitglied immer schlechter geht. Und vielleicht schwingt irgendwo noch ein kleiner Funken Hoffnung mit, dass alles wieder gut wird, auch wenn dies realistisch gesehen nicht mehr möglich ist.

Im Grunde genommen ist Star Trek: Picard eine erbärmliche Serie, auch wenn wir es mit aktuellen Serien wie The Expanse, Westworld, Bosch oder Lucifer vergleichen. Aber auch in der Gegenüberstellung mit Serien älteren Datums wie Smallville, Battlestar Galactica (2003-2009) oder The Mentalist können Kurtzman & Co. einpacken. Leider gibt es wiederum auch genug aktuelle Produktionen, die einen ähnlichen "Stil" wie Star Trek: Picard pflegen, deshalb muss schon die Frage erlaubt sein, auf welche Zukunft Hollywood da zusteuert.

Wir fragen uns ernsthaft, ob so eine Serie wie Picard im "normalen" werbefinanzierten Fernsehen, wo sie sich Ratings und Zuschauerzahlen stellen muss, überhaupt auch nur eine Staffel überleben würde. Sprüche wie "alle Star Trek-Serien haben immer zwei bis drei Jahre gebraucht, bis sie gut waren" gelten heute nicht mehr. Eine Schonfrist für hölzerne Anfänge gibt es nicht mehr, eine Serie - egal ob Star Trek oder nicht - muss von Anfang an auf einem gewissen Level sein und beim Zuschauer "zünden".

Gespaltenes Fandom

Und wir sind auch nicht die einzigen, die der Serie nichts positives abgewinnen können. Viele Online-Kommentatoren und YouTuber kritisierten die Serie genauso wie wir auch. Die Scores und Kommentare auf Seiten wie imdb.com, rottentomatos.com oder metacritics.com sind durchmischt bis vernichtend. Am besten Ihr macht Euch auf den verlinkten Seiten ein eigenes Bild. Die Bewertungen auf imdb.com sind allerdings mit Vorsicht zu betrachten, da die Seite zum Amazon-Konzern gehört. Auf jeden Fall ist das Fandom tief gespalten und verschiedene Lager überschütten sich online gegenseitig mit Hass-Kommentaren.

Umso unverständlicher stehen dann die "Kritiken" der etablierten Medien wie Vanity Fair oder Los Angeles Times im Raum. Dort bekommt die Serie durchwegs lobende Worte und die Autoren heben unter anderem als positiv hervor, das Patrick Stewart als Picard zurückgekehrt ist. Hier kommt einfach der Verdacht auf, dass viele Medien-Titel ein Teil der Vermarktungs-Maschine von ViacomCBS sind. Kein Journalist, der auch nur halbwegs bei gesundem Verstand ist, kann so einen Schund wie Picard wirklich ernsthaft gut finden. Was die Medien als "Kritiken" veröffentlicht haben, sind in Wahrheit nichts anderes als reine Werbetexte, die den Zuschauern den Mund wässrig machen sollten.

Ein Hinweis, dass die Serie in Tat und Wahrheit nicht die neue Hoffnung im Star Trek-Universum sein wird, zeigte sich dann an den Premieren-Feiern in Los Angeles und London, bei denen viele geladene Gäste den Veranstaltungen fern blieben.

What have you gotten yourself into, Patrick?
Quelle: Amazon Prime Video

Achtung, "toxic fans"!

Aber auch die Macher der Serie legen es bewusst auf Provokationen an. Michael Chabon drückte in einem Interview mit Variety seine Verachtung für die kritischen Fans aus, die er als "toxic fandom" und "anti-social justice warrior" bezeichnet. Manchmal motiviere es ihn sogar, absichtlich in der Serie Dinge zu tun, die diese Leute wiederum provozieren würden. Für ihn haben die "toxic fans" nie verstanden um was es bei Star Trek geht und immer schon ging: Sie sind "…people who seem to have missed the memo about just what exactly Star Trek is and always has been all about." (in Deutsch: "…Leute, die scheinbar das Memo darüber verpasst haben, was genau Star Trek ist und immer schon war.") (Quelle: Variety)

Es ist schon ziemlich arrogant, dass ausgerechnet jemand wie Michael Chabon für sich beansprucht zu wissen, um was es bei Star Trek genau geht. Und auch Jonathan Frakes lobte in Interviews die Autoren der Serie in den Himmel hoch - alleine dafür sollte man ihn bis ans Ende seiner Tage auf Rura Penthe versauern lassen oder zum lebenslangen Pizza backen verdonnern. Aus seiner Sicht schauen manche Zuschauer, die Mühe mit der Serie haben, die Episoden nur um zu wissen, was sie daran hassen: "But they’ll watch it… They are watching to make sure they hate it." (in Deutsch: "Aber sie werden es sich ansehen... Sie schauen zu, um sicherzugehen, dass sie es hassen.") (Quelle: Bounding Into Comics)

Damit sind wir mitten in einer Auseinandersetzung gelandet, die unterdessen rund um viele Franchises in Hollywood geführt wird. Produzenten und Autoren attackieren Fans öffentlich und geben hemmungslos ihre Verachtung zum Ausdruck. Das ist absurd - und schlussendlich auch geschäftsschädigend - wenn sich bezahlende Kunden immer wieder als "toxic", asozial oder rechtsradikale Ewig-Gestrige beschimpfen lassen müssen.

Um ihre eigenen gesellschaftlichen und politischen Überzeugungen zu transportieren, bauen sie die Grundlagen von Franchises um und passen alles bisher erzählte dementsprechend an. Im Kern geht es immer um Fragen von sozialer Gerechtigkeit, die Gender-Debatte oder Multikulturalismus - und nicht jeder Fan von Star Wars oder Dr Who ist begeistert, wenn "sein" Franchise auf einmal dazu benutzt wird, diese Themen auf eine penetrante Art und Weise in den Fokus zu stellen und wenn alle Geschichte neu aus dieser Perspektive erzählt werden.

Der "alte, weisse Mann" als Zuschauer ist dabei zum neuen Feindbild der Produzenten und Autoren geworden. Und Heldenfiguren, die ebenfalls diesem Schema entsprechen werden in Hollywood aktuell systematisch demontiert, um die Fans zum Nachdenken über die oben genannten Themen anzuregen und die vermeintliche Vorherrschaft patriarchaler Strukturen zu zerstören. Oder man könnte auf den Gedanken kommen, dass man sich dafür schämen soll, dass man früher einen weissen Mann, der wie Jean-Luc Picard zudem noch von sozial privilegierter Herkunft ist, überhaupt je als Held verehrt hat!

Quo vadis, Star Trek?

Wie zum Einstieg angekündigt, wollen wir hier unseren Blick etwas öffnen und schauen, in welchem Zustand sich das Star Trek- Franchise aktuell befindet und wohin die Reise gehen könnte.

Aus unserer persönlichen Sicht sieht es sehr düster aus: Das Franchise ist total an die Wand gefahren.

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Aktuell ist "Kurtzman-Trek" das, was wir als Fans von offizieller Seite von ViacomCBS vorgesetzt bekommen: Picard hat bereits zu Beginn eine zweite Staffel bewilligt bekommen und die dritte Staffel Discovery wird noch dieses Jahr ausgestrahlt werden. Wer lieber etwas anderes hätte, kann höchstens auf Fan-Produktionen ausweichen, wobei diese ja auch so gut wie komplett von den Rechte-Inhabern abgewürgt worden sind. Es kann ja nicht sein, dass ein Nobody wie Alec Peters mit Axanar oder das Team von Star Trek Continues etwas besseres auf die Beine stellen als Discovery oder Picard.

Alex Kurtzman’s Firma Secret Hideout hat mit ViacomCBS einen noch bis 2023 laufenden Vertrag, Star Trek-Inhalte zu produzieren. Dementsprechend sind neben den bereits existierenden Serien einige neue Projekte in Vorbereitung oder werden als Gerüchte in den Medien am Leben gehalten. Die Animated-Serie Star Trek: Lower Decks befindet sich aktuell in Produktion. Eine Serie rund um Captain Pike ist bereits von CBS All Access bestätigt worden. Die Darsteller Anson Mount als Captain Christopher Pike, Ethan Peck als Spock und Rebecca Romijns als “Number One” kehren in ihren Rollen aus der zweiten Staffel von Discovery zurück. So wirkt die Staffel rückblickend wie eine Art Testlauf, um die Popularität der Figuren und Darsteller bei den Fans zu testen, um dann möglichst ohne Risiko eine neue Serie zu lancieren.

Daneben kursieren Gerüchte über eine weitere Animated-Serie für Nickelodeon, eine Serie an der Starfleet Academy oder den Dauerbrenner Section 31 mit Michelle Yeoh. Eine schnelle inhaltliche Neu-Orientierung des Star Trek-Franchise scheint somit in weite Ferne gerückt zu sein. Es ist nicht einmal sicher, ob so eine Neu-Orientierung überhaupt noch möglich ist. J.J. Abrams, der bei uns schon länger den Spitznamen "Franchise Zerstörer" bekommen hat, und Alex Kurtzman hinterlassen schon jetzt viel verbrannte Erde. Sie tun das nicht nur mit ihrem systematischen Umbau des gesamten Narrative von Star Trek, sondern auch wie mit der Art und Weise, wie sie und ihre Mit-Produzenten mit Fans und Kritik aus dem Fandom umgehen.

Für die Teppich-Etage von ViacomCBS spielen inhaltliche Fragen nur dann eine Rolle, wenn es darum geht, eine Form von Star Trek zu produzieren, die Geld einbringt. Da darf man sich keine Illusionen machen. Interessanterweise gibt es zu Discovery und Picard kaum Merchandising-Artikel. Bei Merchandising handelt es sich jedoch um eine sehr wichtige Einnahmequelle. Bis zum Ende von Enterprise liefen die Geschäfte recht gut, im Zusammenhang mit Discovery und Picard konnte ViacomCBS jedoch kaum noch Merchandising-Verträge abschliessen, denn viele Hersteller zogen sich zurück. Dass diese wichtige Einnahmequelle zum Erliegen gekommen ist, kann man als Indikator ansehen, dass sich "Kurtzman-Trek" nicht kommerziell rentabel vermarkten lässt. Zudem sind seit der Veröffentlichung von Discovery auch im deutschsprachigen Raum die Verkaufszahlen sämtlicher Roman-Serien vom Cross Cult Verlag stark rückläufig. Neue Titel werden nur noch wenige veröffentlicht. Als Marke ist Star Trek schwer beschädigt, das kann eigentlich nicht im Interesse der Rechteinhaber ViacomCBS sein, denn sie wollen ja Geld verdienen damit.

Und dies könnte in Zukunft noch schwieriger werden. Denn schon seit Discovery ist es so, dass ViacomCBS immer Partner braucht, welche die internationale Vermarktung der Serien übernehmen und mit deren Geld schlussendlich die Produktion einer neuen Serie oder einer weiteren Staffel überhaupt finanziert wird. In den USA laufen die Serien jeweils auf dem Haus-eigenen Dienst CBS All Access. Nach zwei Staffeln Discovery und den Short Treks war man bei Netflix nicht mehr daran interessiert, eine weitere Star Trek-Serie zu finanzieren. Deshalb kam dann für Picard der Konkurrent Amazon Prime Video zum Zug. Man darf aber nicht vergessen, weitere international aufgestellte Streaming-Anbieter, die überhaupt für Star Trek in Frage kommen würden, gibt es nicht.

Verschiedene aktuelle Entwicklungen werden die Zukunft von Star Trek beeinflussen. Der Mutterkonzern ViacomCBS ist in eine finanzielle Schieflage geraten. Nach dem Zusammenschluss von CBS und Viacom zu ViacomCBS im vergangenen Dezember ächzt das Unternehmen unter einem gewaltigen Schuldenberg und strengen Auflagen von Seiten der Behörden, welche den Zusammenschluss bewilligt haben. An der Börse gilt es zudem als unterbewertet. Die Corona-Krise, welche die gesamte Unterhaltungs-Industrie erfasst hat, da Einnahmequellen wie Kino-Eintritte und Fernsehwerbung weggebrochen sind, machen es für ViacomCBS aktuell schwer bis unmöglich, neues Geld zu verdienen.

So erstaunt es nicht, dass Gerüchte um den Verkauf des Star Trek-Franchise oder sogar von ViacomCBS selbst die Runde machen. Doch wer sollte Star Trek kaufen wollen? Um einen alten Freund zu zitieren: "Es ist tot, Jim!" Gutes Geld lässt sich aus unserer Sicht damit auf längere Sicht nicht mehr verdienen.

Und auch bei ViacomCBS sind Veränderungen geplant. CBS All Access soll umgebaut und international verfügbar gemacht werden. Wie dies wiederum die Finanzierung künftiger Produktionen beeinflusst, ist völlig offen. Auch wie sich ein Verkauf der Rechte am Franchise oder von ViacomCBS konkret auf kommende Star Trek-Serien oder Filme auswirken würde, ist aktuell nicht abschätzbar, da spielen einfach zu viele Faktoren mit. Näher darauf einzugehen, würde den Rahmen dieses Artikel endgültig sprengen und es sind im Moment wie gesagt auch nur Gerüchte und Spekulationen.

Ende Legende...

Der Abschluss der ersten Staffel von Star Trek: Picard ist für uns daher nicht nur das Ende der Legende "Jean-Luc Picard", sondern er markiert aus unserer Sicht auch endgültig das Ende von Star Trek.

So können wir zum Abschluss nur das zu wiederholen, was wir schon vor zwei Jahren geschrieben haben: "R.I.P. Star Trek".

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