Review - Samsung SSD 860 QVO

Review

Samsung SSD 860 QVO

Von Hitzestau - 24.04.2019

Als Blogger und Re­vie­wer kann es passieren, dass man mit Produkten in Berührung kommt, die einem kräftig Kopfschmerzen verursachen, den man weiss nicht so recht, wie man darüber schreiben soll. Die Samsung SSD 860 QVO ist eines von diesen Produkten. Sie ist letztes Jahr vor den Weihnachten in den Handel gekommen.

Quelle: Samsung

Man kann sie mit ihrem 2.5-Zoll Gehäuse drehen und wenden wie man will und Produktbeschreibung, Medienmitteilung und Reviews auf anderen Webseiten lesen - irgendwie scheint nichts wirklich zusammenzupassen.

Wie Samsung selber schreibt, stellt die 860 QVO den Grundstein für eine neue Produktreihe dar. Sie soll das Portfolio von Samsung bei den SSD für den Consumer-Markt, welches bisher aus EVO und PRO bestand, ergänzen und preislich “nach unten” abrunden. Zugleich will die QVO-Reihe mit grossen Speicherkapazitäten punkten, die bisher den klassischen Festplatten (HDD) vorbehalten waren.

Quelle: Samsung

Die eingangs erwähnten Kopfschmerzen werden uns hauptsächlich durch drei “Problemzonen” verursacht, und das schon bevor wir die SSD überhaupt in einem System verbaut hatten. Es geht uns um das Verhältnis zwischen Kapazität und Preis, die Qualität der verbauten Speicherzellen sowie einen plötzlichen Knick in der Leistung, wenn sie grosse Datenmengen schreiben muss. Auf diese drei Aspekte gehen wir im Folgenden näher ein.

Kapazität und Preis

Samsung plant die 860 QVO gemäss der Medienmitteilung mit “Kapazitäten im Terabyte-Bereich, die zudem preislich wettbewerbsfähig zu HDDs sind”. Das mit dem “Terabyte-Bereich” stimmt, denn die 860 QVO gibt es ab 1 TB Grösse, die aktuelle maximale Kapazität liegt bei 4 TB. Klassische Festplatten sind heute mit bis 16 TB zu haben, grössere sind in der Entwicklung. Bei der Markteinführung spekulierten verschiedene Medien darüber, ob Samsung eine 8 TB-Version nachschieben würde - geschehen ist das bisher nicht. Mit 8 TB wäre dann auch die maximale Speichergrösse erreicht, die der MJX-Controller verwalten kann.

Quelle: Samsung

Und rein preislich gesehen, haben die HDD immer noch die Nase vorn, d.h. sie weisen einen niedrigeren Preis pro Gigabyte Speicherkapazität auf. Wir haben hier ein paar aktuelle Preise zusammengestellt. Die Preise in Schweizer Franken stammen von der Vergleichsseite toppreise.ch (Händler: PC-Ostschweiz), die EURO-Preise stammen von idealo.de (Händler: Alternate). Alle Angaben stammen vom 24. April 2019.

  • SSD 860 QVO 4 TB: 537.00 CHF / 499.00 EURO
  • SSD 860 EVO 4 TB: 669.00 CHF / 639.00 EURO
  • HDD WD Red 4 TB: 133.00 CHF / 119.90 EURO
  • HDD WD Red 10 TB: ab 340.00 CHF / 324.00 EURO

Technik

Medienmitteilung und Berichte über die 860 QVO werfen mit einem Wirrwarr von Abkürzungen für verschiedene Technologien um sich, was es schwierig macht, den Durchblick zu behalten. Bevor wir an dieser Stelle auf die Technik eingehen, die in der 860 QVO steckt, wollen wir deshalb ein paar grundlegende Begriffe und Abkürzungen erklären, um etwas Licht in den “Technobabble” zu bringen.

Typen von NAND-Flashspeicher

Die Buchstaben NAND stehen für die Fertigungstechnik, mit welcher die Speichermodule hergestellt werden. Es handelt sich dabei um so genannten “nicht-volatilen” Speicher, er benötigt also keine permanente Stromzufuhr um Daten zu speichern. Deshalb kommt NAND-Speicher nicht nur in SSD, sondern auch in USB-Sticks oder SD-Karten zum Einsatz.

Es gibt verschiedene Typen, die sich darin unterscheiden, wieviel Bit in einer Speicherzelle gespeichert werden können. Als ein Bit werden zwei mögliche Ladungszustände pro Kondensator verstanden.

  • SLC = Single Level Cell (1 Bit = 2 Ladungszustände)
  • MLC = Multi-Level Cell (2 Bit = 4 Ladungszustände)
  • TLC = Triple Level Cell (3 Bit = 8 Ladungszustände)
  • QLC = Quadruple Level Cell (4 Bit = 16 Ladungszustände)
Anzahl Ladezustände nach Speichertyp.
Quelle: hitzestau

SLC-Speicher zeichnet sich sich durch hohe Zuverlässigkeit aus und kann am schnellsten beschrieben werden, da hier nur zwei Ladungszustände unterschieden werden. Deshalb wird er für schreibintensiven Anforderungen benutzt. Er ist der teuerste Speichertyp, weil die Zellen am meisten Platz auf dem Trägermedium benötigen um eine bestimmte Menge GB zu erhalten.

MLC-, TLC- und QLC-Speicherzellen können mehr als zwei Ladungszustände unterscheiden. Der Vorteil liegt in einer effizienteren Ausnutzung der Chipfläche und einer höheren Speicherdichte. Nachteilig bei diesen Speichertypen ist jedoch, dass die Dauer der Zugriffszeit mit der Anzahl Ladungszustände zunimmt. Im Gegenzug nimmt die Anzahl möglicher Schreib-/Lesezyklen ab, je mehr Ladungszustände unterschieden werden. TLC-Speicher wird von Samsung zum Beispiel in der EVO-Reihe verbaut.

Controller und Speicher

Wenn man bei der 860 QVO von Technik spricht, gibt es drei Aspekte, die wichtig sind:

  • Als Controller kommt der MJX-Controller von Samsung zum Einsatz, der unter anderem auch auf der 860 EVO Verwendung findet.
  • Der Speicher heisst bei Samsung “4-Bit-V-NAND”. Es handelt sich dabei um QLC-Speicher.
  • Der Zwischenspeicher oder Cache, der die schnellen Schreibraten auf die SSD ermöglicht, nennt sich “TurboWrite”. Er besteht aus SLC-Speichermodulen.

Leistung

Schnelles Lesen und Schreiben gehört wohl zu den wichtigsten Erwartungen, die man als Anwender an eine SSD stellt - eigentlich eine banale Feststellung. Auf jeden Fall sollte sie schneller als eine klassische Festplatte sein, da sich bei der SSD ja keine mechanische Teile mehr bewegen.

Doch genau dies ist bei der 860 QVO nicht immer der Fall, wie wir selber im Alltag feststellen mussten. Samsung gibt die technischen Leistungsdaten wie folgt an, die Anzahl IOPS unterscheiden sich je nach Speichergrösse nur leicht, deshalb führen wir sie hier nicht alle separat auf.

  • Sequenzielle Lesegeschwindigkeit: max. 550 MB/s
  • Sequenzielle Schreibgeschwindigkeit: max. 520 MB/s
  • IOPS: bis 97’000

Schicken wir noch voraus, dass die 860 QVO “nur” als SATA-Version verfügbar ist und damit die SATA III-Schnittstelle mit ihren maximalen 600 MB/sec Datendurchsatz den limitierenden Faktor darstellt. Die M.2-Schnittstelle über PCIe (4x) liefert im Vergleich dazu rund 3500 MB/sec.

Die Schreibraten von über 500 MB/sec erreicht die 860 QVO, solange sie die Daten in ihren Cache speichern kann, der ja aus den schnellen SLC-Chips besteht. Die Leistungsdaten aus den technischen Spezifikationen des Herstellers erreicht sie dann in synthetischen Benchmark-Tests auch ohne Probleme.

Doch wenn man beispielsweise einen 200 GB grossen Ordner mit Dateien auf sie kopieren will, kommt die 860 QVO an ihre Grenzen: Wenn der Cache voll ist, bricht die Leistung entsprechend ein und beträgt dann nur noch rund 80 MB/sec, was weniger ist, als eine HDD zu leisten vermag. Dieser markante Leistungs-Einbruch macht sich vor allem beim Schreiben grosser Datenmengen bemerkbar. Der SLC-Cache hat eine minimale Grösse von 6 GB beim 1 TB-Modell und kann dynamisch bis auf 42 GB erweitert werden. Das bedeutet, je voller die gesamte SSD bereits ist, desto schneller kommt es zum Absacken der Schreib-Leistung.

Abschliessende Gedanken

Wir haben schon seit Jahren EVO- und PRO SSD von Samsung im Einsatz und sind damit sehr zufrieden was Leistung und auch die Zuverlässigkeit bzw. die Lebensdauer angeht. Mit der 860 QVO droht unser gutes Bild, welches wir eigentlich von Samsung als SSD-Hersteller haben, ins Wanken zu geraten.

Quelle: Samsung

Die Buchstaben QVO stehen für “Quality and Value Optimized” - also soviel wie “optimiertes Preis-Leistungsverhältnis”. Das ist aus unserer Sicht eine Mogelpackung: Der markante Leistungs-Drop, wenn der SLC-Cache vollgeschrieben ist, passt schlicht nicht zu einer SSD. Der “Sinn” einer SSD, nämlich hohe Lese- und Schreibraten zu bieten, geht so verloren. Insbesondere für eine SSD mit dem Baujahr 2018 ist so etwas nicht akzeptabel, auch wenn der verbaute QLC-Speicher günstiger in der Produktion ist und somit der Endverkaufspreis niedrig gehalten werden kann.

Und auch die gebotenen Garantieleistungen sind schlechter, als man es sonst von Samsung gewohnt ist: Statt 5 Jahre wie bei den EVO und PRO-Modellen gibt Samsung hier nur 3 Jahre Garantie. Und auch bei den Total Bytes Written (TBW) muss man Abstriche machen: Statt 2400 TB TBW wie bei der 860 EVO, muss man sich bei der QVO mit 1440 TB TBW begnügen.

Weder Haltbarkeit noch Leistung der 860 QVO liefern überzeugende Argumente. Kommt noch dazu, dass der preisliche Unterschied zu den EVO-Modellen nicht allzu gross ist. Da sich aus unserer Sicht die QVO allerhöchstens als “Datengrab” und nicht als primäre Systemplatte eignet, lohnt es sich die Preise mit der 860 EVO zu vergleichen, wie wir es oben in unserer Preisliste getan haben. Auf Grund unserer Erfahrungen sind wir der Meinung, dass der Aufpreis für die EVO auf jeden Fall gut investiertes Geld ist.

Und wenn wir schon beim Preis sind: Den eigenen Anspruch, eine SSD zu liefern, die preislich mit den HDD gleichzieht, erfüllt Samsung auch nicht. Klar nagt an den HDD der Zahn der Zeit, da ihnen die SSD punkto Geschwindigkeit grundsätzlich überlegen sind - nur hier patzt die 860 QVO wie wir im Artikel beschrieben haben. Und ob sich Samsung mit der QVO-Reihe für ihr Portfolio wirklich einen Gefallen tut, ist eine berechtige Frage. Unsere Antwort ist klar: Nein, der Konzern tut sich keinen Gefallen damit und beschädigt seinen guten Ruf.

Es ist zu begrüssen, wenn SSD mit hohen Speicherkapazitäten preislich erschwinglich werden, aber das sollte nicht auf Kosten der Qualität gehen. Zudem ist es fraglich, ob die sinkenden Preise bei den SSD noch Raum für eine dritte Produkt-Linie lassen, oder ob es nicht besser wäre, EVO und PRO mit grösseren Speicherkapazitäten anzubieten. Die QVO macht aus unserer Sicht schlicht keinen Sinn.

Im Handel

Quelle: Samsung

Die Samsung SSD 860 QVO ist im Handel in drei verschiedenen Speichergrössen erhältlich: 1 TB (UVP CHF 159.00), 2 TB (UVP CHF 271.00), 4 TB (CHF 542.00).