Autor: Archangel
Nachdem ich seit ein paar Monaten die Galaxy Gear von Samsung regelmässig genutzt habe, weiss ich ehrlich gesagt immer noch nicht so recht, was ich von der Smartwatch halten soll. Ich denke, es hängt sehr individuell vom Träger ab, manche sind sehr begeistert von ihr, andere haben eher Mühe damit. Vor ein paar Wochen habe ich per Zufall einen anderen "Gear-Träger" getroffen und er war sehr begeistert von der Uhr und hat mir spontan ein paar Features gezeigt, die ich bis dahin noch gar nicht kannte.
Es fällt mir daher nicht leicht, zur Galaxy Gear eine klare Position zu beziehen. Deshalb fasse ich in diesem Text meine eigenen Gedanken und Überlegungen sowie Fragen zur Galaxy Gear zusammen, die sich für mich während der Nutzung in Verbindung mit dem Galaxy Note 3 ergeben haben.
Gut gefallen tut mir die einfache Verbindung mit dem Smartphone und die Bedienung. Eingerichtet, bzw. verbunden mit einem Smartphone ist die Gear sehr schnell. Man muss nur die App Gear Manager auf dem Note 3 oder einem anderen kompatiblen Smartphone von Samsung installieren und dann die beiden Geräte miteinander verbinden. Ab diesem Zeitpunkt sind sie ständig via Bluetooth miteinander in Kontakt. Vom Gear Manager aus kann man alle notwendigen Einstellungen für die Gear vornehmen.
Zu den Einstellungen gehört beispielsweise die Darstellung des Zifferblattes. Der Gear Manager hält dazu schon verschiedene Varianten bereit. Mit der App Watch Styler kann man einen Schritt weiter gehen und Hintergrundbild und Zifferblatt der Gear selber gestalten.
Für die Galaxy Gear gibt es einen eigenen App-Store, der direkt im Gear Manager integriert ist. Die meisten Kategorien sind noch eher dünn bestückt, für die individuelle Gestaltung des Zifferblatts gibt es jedoch einige Apps. Bekannte Apps wie Evernote oder Feedly sind ebenfalls zu finden, wobei dies wohl von Seiten der Anbieter eher als Experiment zu verstehen ist.
Gear Manager: Watch Styler
Angepasstes Zifferblatt Galaxy Gear
Auch von den äusseren Werten machen die Galaxy Gear einen recht guten Eindruck. Mit der Kombination aus Kunststoffarmband und der Zifferblattumrandung sowie der Schnalle aus Metall wirkt die Gear recht gross, aber irgendwie auch edel. Das Display ist auch bei hellem Tageslicht sehr gut lesbar, das gilt für die Zifferblattanzeige wie auch für die anderen Funktionen. Wer vielleicht schon etwas Mühe hat, auf einer herkömmlichen Uhr die Zeit abzulesen, hat mit der Gear sicher einen Vorteil. Was den Tragekomfort angeht, habe ich etwas gebraucht, um mich an die Gear zu gewönnen. Aber ich denke, es kommt sehr darauf an, welche Uhrengrössen und Materialen von Armband man sonst gewöhnt ist. Leider ist es nicht möglich, das Armband zu wechseln. Auch das Verstellen des Armbands ist nur in relativ grossen Schritten möglich.
Handhabung im Alltag
Was die Gear deutlich von herkömmlichen Uhren unterscheidet ist, dass sie relativ häufig aufgeladen werden muss. Ebenfalls neu war für mich: Die Uhr kann man nicht einfach einschalten, sie fährt hoch wie man es von einem Smartphone her kennt.
Eine Uhr via Touch zu bedienen war für mich etwas neues, alles andere wäre aber für eine Smartwatch auch nicht wirklich passend. Die Sensoren reagieren schon recht präzise, aber manchmal landet man dann doch im falschen Menü oder nicht in der eigentlich gewünschten Funktion.
Einen Taschenrechner, wie man ihn von den Casio-Uhren von vor über 20 Jahren her kennt, sucht man zwar auf der Gear vergeblich, aber immerhin kann man mit ihr telefonieren wie James Bond oder Knight Rider: Die Gear verfügt über eine eingebaute Kombination aus Lautsprecher und Mikrophon. Damit kann man sie wie eine Freisprechanlage benutzen, aber leider beschallt man dann auch die Umgebung mit dem gesamten Gespräch. Das ist auch aus Gründen der Privatsphäre sehr problematisch, da das Gegenüber nicht unbedingt weiss, dass sein Gesprächspartner via eine Gear telefoniert.
Galaxy Gear: Tastenfeld Telefon
Galaxy Gear: Tastenfeld Telefon
Eintreffende SMS-Nachrichten werden nicht nur auf dem Telefon anzeigt, mit dem die Gear verbunden ist, sondern auch direkt auf der Uhr. Man kann sie auch direkt dort lesen, vorausgesetzt man hat keine Probleme mit der doch eher kleinen Schrift. Beantworten lässt sich die SMS auch direkt von der Gear aus, es gibt jedoch eine Einschränkung: Das funktioniert nur mit einer Auswahl aus vorgefertigten Sätzen "Wie geht’s?" oder "Bin gleich da."
Galaxy Gear: SMS empfangen
Galaxy Gear: SMS empfangen
Galaxy Gear: SMS empfangen
Im Gear Manager kann man weitere Sätze hinzufügen und bestehende editieren (im Menü: Benachrichtigungen / Textvorlagen verwalten). Will man jedoch eine vernünftige Antwort geben, muss man aufs Telefon zurückgreifen – also warum die SMS nicht gleich dort lesen und beantworten?
Gear Manager / Benachrichtigungen: Texte für SMS anpassen
Gear Manager / Benachrichtigungen: Texte für SMS anpassen
Aber es gibt auch die klassischen Produktivitäts-Apps wie Evernote. Die Evernote-App ist zwar witzig, aber auf einem Display mit 1,63 Zoll Diagonale (rund 4 cm) und einer Auflösung von 320×320 Pixel lassen wirklich nur sehr kleine Texte darstellen. Bilder, die innerhalb einer Notiz gespeichert sind, werden gar nicht angezeigt. Wie schon erwähnt, dürfte es sich für Evernote eher um ein Experiment handeln, den ein wirklich praktischer Nutzen ist nur schwer aus der App auf der Gear zu ziehen. Das ist natürlich schade, da Evernote sonst zu meinen Lieblings-Apps gehört.
Galaxy Gear: Evernote App
Galaxy Gear: Evernote App
Galaxy Gear: Evernote App
Galaxy Gear: Evernote App
Die Galaxy Gear verfügt über einen eingebauten Schrittzähler. Zwar hatte ich mit der App S Health auf dem Note 3 oder dem Galaxy S4 schon länger einen solche Funktion zur Hand, aber erst mit der Gear hat es mich gereizt, dies auch mal in der Praxis auszutesten.
Bei einem Einsatz im Fussballstadion habe ich die Probe aufs Exempel gemacht: Während rund fünf Stunden habe ich gemäss dem Schrittzähler der Gear 7860 Schritte gemacht und dabei über sechs Kilometer zurückgelegt. Die Daten lassen sich direkt an S Health auf dem Telefon senden und dort weiter verwenden.
Im Armband verfügt die Gear über eine eingebaute Kamera mit einem 1,9 Millionen Pixel Chip. Gemachte Bilder werden innert weniger Sekunden automatisch auf das Telefon übertragen, mit dem die Gear verbunden ist. Von dort können sie beliebig weiter versendet werden. Auch das ist wieder eine nette Spielerei, um sich ein wenig wie James Bond zu fühlen. Aber wozu brauche ich die Kamera in der Gear? Ich kann sie nicht auf mich richten, beispielsweise für einen Video-Chat und im Smartphone habe ich sicher die bessere Kamera als in der Gear am Handgelenk, den eigentlich ist die Kamera sogar für einen Schnappschuss zu schlecht. Und gerade im Winter rutsch einem schnell der Jackenärmel vor die Linse:
Die Kamera in der Gear ist aber auch aus einem anderen Grund noch problematisch: Man kann mit ihr unbemerkt Bilder oder Videoaufnahmen von Leuten machen, die gerade um einen herumstehen. Dies wirft nach die Frage nach der Privatsphäre auf, denn es gibt immer mehr Kameras im öffentlichen Raum, von denen man nicht sagen kann, ob sie einen gerade aufnehmen oder nicht. Eine gewisse Anzahl Leute reagiert sehr ablehnend auf kleine Action Kameras wie die Go Pro oder die Kamera in Google Glass, eben weil sie nicht ständig gefilmt werden wollen, dazu muss man nur die Kommentarspalten in den Online-Medien überfliegen.
Uhren sind etwas sehr emotionales und Ausdruck der eigenen Persönlichkeit – aber alle zeigen die Zeit an und die Skala der Preise ist nach oben offen. Stellt sich die Frage, wo die Samsung Galaxy Gear anzusiedeln ist, schliesslich "wildert" sie in einem etablierten Marktsegment. Aber eigentlich ist sie mehr als nur eine reine Uhr. Sie steht für Vernetzung und Datenaustausch zwischen Geräten. Sie zeigt einige interessante Ansätze und was technologisch so alles möglich ist. Es ist zu begrüssen, dass Samsung und andere Hersteller hier mit verschiedenen Modellen die Entwicklung vorantreiben.
Die Gear ist zwar ganz interessant, aber für mich hat das Smartphone eigentlich die Uhr ersetzt.
Monk-Trader von hitzestau
Aber wie eingangs schon angedeutet, hat sich mir der reale Nutzen im Alltag bisher nicht erschlossen. Auch die Bedenken rund um die Privatsphäre bleiben für mich bestehen. In der aktuellen Version ist die Samsung Galaxy Gear ein Spielzeug und ein Experimentierfeld für Leute, die Freunde an solchen Devices haben und technisch immer gerne was Neues ausprobieren. Bei vielen Anwendungen landet man schlussendlich immer wieder beim Telefon, sei es weil die die Gear die Funktion nicht bietet oder die Bedienung auf dem Telefon einfacher ist.
Die ultimative Frage, die hinter der ganzen Diskussion um die Galaxy Gear und andere so genannte Smartwatches steht, lautet aber:
Ist das Handgelenk überhaupt smart-tauglich?
Monk-Trader von hitzestau
Das Samsung-eigene Werbemotiv für die Gear beantwortet die Frage eigentlich gleich selber: Mit dem Galaxy Note 3 hat man(n) eines der aktuell smartesten Telefone in der Hand, mit einer Vielzahl von Apps und hohem Bedienkomfort. Zum einfacher Telefonieren kann ich ein Headset dazu nehmen. Meine optischen Sinne kann ich heute mit einer Brille wie Google Glass oder einer App für Augmented Reality erweitern. Aber mein Handgelenk? Welche Sinne erweitere ich da oder wieviel Zusatzinformationen haben auf dem kleinen Display wirklich Platz? Die Galaxy Gear ist eine reine Ergänzung zum Smartphone – für was ich sie wirklich brauche oder welchen Mehrwert sie bietet, beantwortet Samsung mir nicht.
Es ist nun an den Herstellern zu überlegen, wie sie die Gerätekategorie der Smartwatches attraktiver gestalten können. Oder vielleicht braucht es sie ja auch gar nicht? Es wäre nicht die erste Gerätekategorie, die nach einer gewissen Zeit wieder verschwindet, weil sie die Akzeptanz bei den Konsumenten nicht gefunden hat.
Ein Schritt wäre sicher, den Geräten mehr Eigenständigkeit zu geben und nicht nur eine "Verlängerung" oder ein "Anhängsel" eines Smartphones zu sein. Und man muss sich auf Grund der bisher gemachten Erfahrungen auch überlegen, welche Funktionen sinnvoll sind, das gilt zum Beispiel für die Kamera. Anwendungen aus den Bereichen Augmented Reality oder Navigation mit einer Kompass-App könnten der Kamera eine Daseinsberechtigung geben – mal schauen, ob die die Entwickler uns da bei kommenden Versionen Ideen in diese Richtung präsentieren.