In zwei Wochen können die Schweizer darüber entscheiden, wie intensiv sie in Zukunft überwacht werden wollen. Mit dem neuen Nachrichtendienst-Gesetz NDG sollen die gesetzlichen Grundlagen "an die aktuellen Risiken" angepasst werden. Denn die Bedrohungslage hat sich "aufgrund des technologischen Fortschritts, der engeren globalen Vernetzung und neuer Formen des Terrorismus verschärft", wie es im Beamtendeutsch in den Abstimmungsunterlagen des Bundes heisst.

Nein zum neuen Nachrichtendienst-Gesetz NDG

Die Frage ist wie immer bei solchen Themen, wie hoch der Preis ist, den wir für unsere vermeintliche Sicherheit bezahlten wollen. Die Revision des Bundesgesetzes betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (BÜPF) konnte leider nicht verhindert werden. Auch wenn das NDG nicht in erster Linie auf die private Kommunikation der Bürger abzielt, werden auch hier wieder dem Staat diffuse Methoden zur Überwachung in die Hand gelegt, bei denen nicht abzusehen ist, wie sie wirklich eingesetzt werden. Überwacher entwickeln schnell ein Eigenleben und entziehen sich der Kontrolle – Argumente wie "nationale Sicherheit" oder "Terrorabwehr" sind heute Generalschlüssel geworden, wenn es darum geht, die Grundrechte der eigenen Bevölkerung auszuhebeln. Und man muss nicht mal in die Geschichte von Diktaturen und brutalen Regimes schauen, um zu sehen wie sehr die so harmlos bezeichnete "Informationsbeschaffung" aus der Ruder laufen kann. Die Fichen-Affäre in der Schweiz, die Ende der 1980er Jahre aufgedeckt wurde, ist bis heute nicht wirklich aufgearbeitet.

Mit dem NDG wird den Behörden die Kompetenzen eingeräumt, in fremde Computersysteme einzudringen. Sonst wird dies als kriminelle Handlung eingestuft und kann auch nicht einfach als "virtuelle Hausdurchsuchung" verharmlost werden, weil der Betroffene davon ja nichts mitbekommen soll. Dafür werden mit Hilfe von Hackern Backdoors in Systemen ausgenutzt, was sonst nur von Leuten mit kriminellen Absichten praktiziert wird. Sonst gilt immer der Grundsatz in der IT, dass die Sicherheit von Systemen an oberster Stelle steht, aber hier werden bewusst IT-Systeme kompromittiert. Und das mit nicht kalkulierbaren Folgen für das betroffene System, das gesamte Netzwerk oder andere Computer, mit denen ein Datenaustausch stattfindet. Denkt man an die öffentlich gewordenen Hack’s bei der Verwaltung oder staatsnahen Betrieben, scheint hier zu diesem Thema nicht allzu viel Kompetenz vorhanden zu sein.
Einen rechten Schritt breiter angelegt ist die so genannte Kabelaufklärung, mit ihr werden alle in der Schweiz wohnhaften Personen erstmal unter Generalverdacht gestellt – ob sich brauchbare Informationen ergeben, wird dann später herausgefiltert.
Und eine ganz wichtige Sache sind alle Befürworter von mehr Überwachung bisher schuldig geblieben: Wo ist der Beweis, dass all die Überwachung von Datenverkehr und Kommunikation, von Personen und all die bewaffneten Beamten auf öffentlichen Plätzen auch nur einen Terroranschlag verhindert haben? Länder wie Deutschland und Frankreich investieren sicher sich viel Geld und Aufwand in ihre "Informationsbeschaffung" – und trotzdem konnten die Anschläge der vergangenen Monate nicht verhindert werden.
Für die kommende Abstimmung müssen wir uns fragen wie sehr wir den staatlichen Institutionen vertrauen, dass sie sich beim Einsatz von Überwachungsmassnahmen auch an die im Gesetz festgelegten Einschränkungen halten und Bewilligungen halten? Gerade in der Schweiz, wo viele Politiker und Aufsichtskommissionen Laien sind, ist das ein problematischer Punkt. Schlussendlich stellt sich die berühmte Frage, wer denn die Überwacher überwacht. Da laut Gesetzestext auch der Bundesrat bei der Bewilligung eine aktive Rolle hat, kann er sich dann später nicht herausreden, er habe von nichts gewusst, wenn etwas aus dem Ruder läuft. Das Dumme ist nur, dass wir in der Schweiz eine Kultur haben, dass auch in einem solchen Fall ein Regierungsmitglied nicht zurücktreten würde.
Schlussendlich geht es darum, wie weit wir bereit sind, im Kampf gegen den Terror unsere Grundrechte freiwillig aufzugeben, wenn wir doch angeblich in Westeuropa unsere Werte nicht opfern wollen? Und der dämliche Spruch "Ich habe nichts zu verbergen" zieht auch nicht mehr – jeder hat das Recht etwas zu verbergen, auch wenn es nur die eigene Unschuld oder die Unversehrtheit der Privatsphäre ist.
In der Schweiz engagieren sich einige Organisationen gegen das neue Nachrichtendienstgesetz, dazu zählen unter anderem das Komitee Nein zum NDG, die Digitale Gesellschaft und verschiedenen andere unter dem Dach von nachrichtendienstgesetz.ch.