Wer würde sich nicht gerne unerkannt und anonym im World Wide Web bewegen? Nicht erst seit Edward Snowden die Sammelwut der NSA und anderer Geheimdienste öffentlich gemacht hat, besteht der Wunsch von gewissen Leuten, sich unerkannt und ohne Daten zu hinterlassen im Web zu bewegen.
Wer – was für ein Widerspruch – bei Google nach "anonym surfen" sucht, erhält Zugriff auf erklärende Artikel und zahllose Dienste, die sich dem Surfen ohne Speicherung von persönlichen Daten verschrieben haben. VPN-Verbindungen, Tor-Browser und Proxy-Dienste, für die man nur ein Plugin herunterladen muss.
Kein Wunder, überbieten sich Online-Medien mit dem Generieren von Artikeln, in denen die entsprechenden Schlüsselwörter wie "surfen", "suchen", "anonym" und andere vorkommen. So haben gestern der Tagesanzeiger und die anderen Newsnet-Erzeugnisse zwei Suchmaschinen vorgestellt, die "anonymes Suchen" versprechen. Dabei handelt es sich um Ixquick.com und Duckduckgo.com. Den Dienst von Ixquick.com gibt es seit 1998 und Duckduckgo.com ist immerhin seit 2008 am Start, die iOS- und Android-App ist seit kurzem verfügbar. Da kann etwas redaktionell getarnte und unkritische Gratiswerbung ja nichts schaden, um auf der von der Medienberichterstattung um die Datensammlung von NSA und Co. losgetretenen Anonymitäts-Welle mit zu surfen.
Nur wird hier den Lesern – und indirekt auch den Benutzern von solchen Suchdiensten – etwas suggeriert, was gar nicht möglich ist. Auch wenn die Server der beiden Suchmaschinen keine Logfiles führen mögen, in denen IP-Adressen und andere Informationen gespeichert werden, reisen die Datenpakete zwischen User und Server über unzählige Router, Knotenpunkte und Überseekabel, bei denen die Daten abgegriffen werden könnten. Anonym geht also schon mal gar nicht, denn sonst könnten die Daten – in diesem Fall also die Suchanfrage und die Rückantwort – ja gar nicht übertragen werden. Und um überhaupt auf die Seite von Ixquick.com und Duckduckgo.com zu kommen, muss zuerst eine DNS-Anfrage durchgeführt werden. Auch hierbei werden Datenpakete rund um den halben Globus geschickt, die theoretisch an vielen Orten abgegriffen werden könnten. Also schon bevor man als vermeintlich vorsichtiger User auf der angeblich anonymen Suchmaschine angekommen ist, hat man seine Daten schon mal in die Welt herausposaunt. Wenn man dann dort auf den Link eines Suchergebnisses klickt, geht das Spiel genau gleich weiter. Auch kann der reine DNS-Zugriff für eine der beiden Suchmaschinen schon zum Anlass genommen werden, mit auf anderen Wegen gewonnen Meta-Informationen ein Profil zusammen zu stellen.
Wer "anonymes Suchen" verspricht, verkauft seinen Usern also nur eine Mogelpackung und probiert dem aktuellen Zeitgeist entsprechend, mehr Traffic auf die eigene Seite zu holen. Mehr nicht. Der Rest ist Augenwischerei. Bedenklich ist auch, dass Online-Medien sich dabei gerne als Handlanger anbieten, weil auch sie von den Klicks auf ihre Artikel leben.